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03.03.25 Förderung Industrie Wasserstoff Energie erzeugen & verteilen

Anreizmechanismen für Wasserstoffprojekte: Welche Instrumente bringen Dynamik in den Markt?

Senior-Experte Konstantin Brosch und Expertin Lina Weber erläutern, wie staatliche Instrumente den Wasserstoffmarkt ankurbeln können.

Lina Weber und Konstantin Brosch
Lina Weber, Expertin H2 & synthetische Energieträger und Konstantin Brosch, Seniorexperte H2 & synthetische Energieträger

Erneuerbarer Wasserstoff und dessen Derivate spielen eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung energieintensiver und schwer elektrifizierbarer Sektoren wie der Stahl- und Chemieindustrie. Doch trotz des Potenzials steht der grüne Wasserstoffmarkt noch am Anfang. Der Hochlauf gestaltet sich langsamer als erhofft und die Herausforderungen bleiben groß: Hohe Produktionskosten und die noch sehr begrenzte Verfügbarkeit treffen auf fehlende Infrastruktur für den Transport und eine bislang wenig verlässliche Marktnachfrage. In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass erneuerbarer Wasserstoff auch in der absehbaren Zukunft teurer als die fossilen Alternativen bleiben wird, die er ersetzen soll. Daher ist eine staatliche Förderung zum Ausgleich dieser Kostenlücke erforderlich.

Staatliche Anreizinstrumente lassen sich grob in direkte finanzielle Unterstützungsleistungen, etwa Subventionen oder Steuervergünstigungen, und marktbasierte Mechanismen unterteilen. Subventionen werden aber zum Beispiel in geringerem Umfang benötigt, wenn parallel dazu der CO2-Preis steigt, der fossile Alternativen langfristig weniger attraktiv macht. Ebenso können Quoten, wie auf europäischer Ebene für den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff im Industrie- und Verkehrssektor eingeführt, zu einer verlässlichen und planbaren Nachfrage beitragen.

Direkte finanzielle Unterstützungsleistungen

Sowohl marktbasierte Instrumente als auch direkte finanzielle Unterstützungsleistungen, zum Beispiel eine Förderung der Investitionskosten (CAPEX) etwa im Rahmen der Wasserstoff-IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) oder der Reallabore der Energiewende, sind in der Regel wettbewerblich organisiert. CAPEX-Zuschüsse ermöglichen durch die Auszahlung des gesamten Förderbetrags zu Projektbeginn ein “Derisking” der Anfangsinvestition. Daher sind sie ein effektives Mittel zum Anschub von kapitalintensiven Demonstrationsprojekten oder ersten (kleinskaligen) industriellen Anlagen. Marktrisiken, die sich auf Kosten und Erlöse im Betrieb der Anlage auswirken, können dadurch jedoch nicht adressiert werden.

Auktionsbasierte Modelle "versteigern” über ein Gebotsverfahren die staatliche Unterstützung für Wasserstoffproduktion oder -einsatz an die Bieter mit dem niedrigsten Förderbedarf, wobei zum Teil auch weitere Kriterien berücksichtigt werden. Großer Vorteil von Auktionen ist vor allem die Kosteneffizienz: nur die wirtschaftlichsten Projekte erhalten den Zuschlag, was den Einsatz öffentlicher Mittel optimiert. Auktionen erhöhen zudem die Markttransparenz, denn die Auktionsergebnisse spiegeln die realen Produktionskosten bzw. Verkaufs- und Zahlungsbereitschaften wider und schaffen so Orientierung.

Illustration des Projekt-Cashflows über die Zeit mit direkter CAPEX-Unterstützung (z. B. IPCEI). Farbige Balken zeigen unterschiedliche Cashflow-Komponenten.

Marktbasierte Anreizinstrumente

Marktbasierte Ansätze konzentrieren sich darauf, die Kostenlücke zwischen grünem Wasserstoff und fossilen Alternativen zu schließen bzw. auszugleichen. Auf diese Weise sollen Angebot und Nachfrage näher zusammengebracht werden. 

Contracts for Difference (CfD): 

Differenzkostenverträge (Contracts for Difference, CfDs) legen eine garantierte Vergütung (Strike Price) für die Produktion oder den Einsatz von grünem Wasserstoff fest. Liegt der Markt- oder Verkaufspreis unter diesem garantierten Preis, gleicht der Staat die Differenz aus. Übersteigt der Marktpreis den Strike Price, zahlt das Unternehmen die Differenz an den Staat zurück. Dadurch wird das Preisrisiko für Investoren erheblich reduziert. In Deutschland werden Differenzverträge, die auch die Entwicklung des CO2-Preises mitberücksichtigen (sog. Carbon Contracts for Difference, CCfDs) zur Dekarbonisierung der Industrie unter dem Namen Klimaschutzverträge eingesetzt.

Illustration des Projekt-Cashflows mit Contracts for Difference (z. B. Klimaschutzverträge) über die Zeit. Balken zeigen verschiedene Cashflow-Komponenten relativ zum Strike Price.

Doppelauktionsmechanismen

Die Bundesregierung hat verschiedene Förderprogramme sowohl für Projekte im Inland als auch für den Import von Wasserstoff und dessen Derivate auf den Weg gebracht. Am 19. Februar 2025 wurde offiziell der Start der zweiten Ausschreibungsrunde für @H2Global, eines der zentralen deutschen Förderinstrumente, verkündet. Die Bundesregierung stellt für die zweite Gebotsrunde bis zu 2,2 Milliarden Euro bereit, um internationale Produzenten und deutsche Abnehmer zusammenzubringen.

H2Global ist ein Vorreiter für ein sogenanntes Doppelauktionsmodell, bei dem Unternehmen auf der Angebotsseite auf langfristige Lieferverträge für grünen Wasserstoff(-derivate) zu einem festgelegten Verkaufspreis bieten. Das Produkt wird von dem Intermediärunternehmen Hintco, einer Tochtergesellschaft der H2Global Stiftung, aufgekauft und über eine Nachfrageauktion zu möglichst hohen Preisen weiterverkauft. Der Staat übernimmt die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Die erste Ausschreibungsrunde hatte ein Fördervolumen von 900 Millionen Euro bei drei Losen für Wasserstoffderivate.

Illustration des Projekt-Cashflows bei Doppelauktionsmechanismen (z. B. H2Global) über die Zeit. Balken zeigen verschiedene Cashflow-Komponenten relativ zum langfristigen H₂-Abnahmevertrag.

“Fixed-premium”-Auktionen

Die European Hydrogen Bank (EHB) arbeitet mit sogenannten “Fixed Premium”-Auktionen für Wasserstofferzeugungsprojekte in der EU. Wasserstoffproduzenten erhalten eine feste Prämie pro erzeugte Menge grünen Wasserstoffs, unabhängig vom aktuellen Marktpreis. Dies reduziert das wirtschaftliche Risiko und verbessert die Planbarkeit für Investoren.  Das Auktionsmodell bietet zudem hohe Flexibilität, weil Produzenten den Wasserstoff frei vermarkten können. Damit bleiben aber auch mehr Risiken bei den Produzenten, da die Abnahme nicht durch die EHB garantiert wird, sondern selbst Kunden gefunden werden müssen.  Die erste Ausschreibungsrunde stieß auf großes Interesse: Es gab 132 Gebote aus 17 Ländern, bei einem Fördervolumen von insgesamt max. 720 Mio. EUR. 

Illustration des Projekt-Cashflows mit Fixed Premium (z. B. European Hydrogen Bank) über die Zeit. Balken zeigen verschiedene Cashflow-Komponenten.

Ausblick: Was braucht es jetzt?

Die Herausforderungen sind groß, aber das Ziel ist klar: Angebot und Nachfrage müssen sich treffen.

Welches Instrument in welcher Situation dafür am besten geeignet ist, hängt von Marktphase, Zielsetzung und Wettbewerbssituation ab. Der große Vorteil von Auktionsmechanismen ist, dass die Ergebnisse der Ausschreibungsrunden Produktionskosten und Verkaufspreise transparent machen und wichtige Erkenntnisse zur (erwarteten) Zahlungsbereitschaft der Abnehmer liefern. Und Transparenz ist eine zentrale Voraussetzung für funktionierende Märkte.

In dem Impulspapier „12 Leitplanken für die neue Legislatur“ gibt die dena klare Handlungsempfehlungen, wie der Staat den Transformationsprozess vorantreiben kann. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Schaffung klarer Rahmenbedingungen, die Wettbewerb fördern und eine effiziente Marktstruktur unterstützen. So wird die Energiewende nicht nur möglich, sondern auch nachhaltig und marktorientiert gestaltet.

Lina Weber und Konstantin Brosch
Lina Weber, Expertin H2 & synthetische Energieträger und Konstantin Brosch, Seniorexperte H2 & synthetische Energieträger

Hör-Tipp: Der Podcast “Wissen schafft Energie” 

Möchten Sie mehr über Anreizinstrumente für den Wasserstoffmarkt erfahren? Hören Sie die neue Folge des Podcasts  „Wissen schafft Energie” mit den Gästen Timo Bollerhey, Executive Director der Hintco (Tochtergesellschaft der H2Global Stiftung) und Prof. Dr. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhlinhaber für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit.

Die Reallabore der Energiewende 

Die „Reallabore der Energiewende“ fördern die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die wissenschaftliche Begleitforschung übernimmt das Konsortium „Trans4ReaL“. Die dena fördert den Wissensaustausch durch Kommunikations- und Vernetzungsmaßnahmen, die die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Erkenntnisse aus den Reallaboren und der Transferforschung werden in dem PodcastWissen schafft Energie“ regelmäßig analysiert und diskutiert.

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