Klimaneutraler Gebäudebestand: Verzahnung von Effizienz, Gebäudetechnik und Erneuerbaren nötig
Christian Stolte, Bereichsleiter Klimaneutrale Gebäude, erläutert warum bei der Wärmeversorgung auch die Effizienz der Gebäudehülle relevant ist.
Jetzt ist sie beschlossen: Auch der Rat der Europäischen Union hat die Novelle der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD bestätigt. Sie zielt auf eine gesteigerte Effizienz des Gebäudebestands in der EU ab. 2030 bzw. 2033 soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des Wohngebäude-Bestands um 16 bzw. 20-22 Prozent abgenommen haben. Für den Nichtwohngebäude-Bestand werden Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz geschaffen. Dafür müssen auf nationaler Ebene Schwellenwerte festgelegt werden, sodass 16 bzw. 26 Prozent der Nichtwohngebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz unter diesen liegen. Anschließend müssen diese bis 2030 bzw. 2033 hochsaniert werden.
Die Bedeutung der ganzheitlichen Betrachtung eines Gebäudes rückt damit wieder stärker in den Mittelpunkt. Zuletzt hatten die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz und die damit verbundene Verpflichtung zur schrittweisen Umstellung auf mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien in der Wärmeversorgung in Deutschland stark die Gebäudetechnik fokussiert. Eine ambitionierte Effizienzpolitik geriet ins Hintertreffen. Aktuell stagniert die Sanierungsrate im deutschen Gebäudebestand bei unter einem Prozent.
Holistische Perspektive unerlässlich
Die 65-Prozent-Regel ist ein Paradigmenwechsel hin zum Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäudesektor. Die knapp 25 Millionen Wärmeerzeuger, von denen noch ca. 80 Prozent mit fossilen Energieträgern betrieben werden, sind ein großer Hebel. Allerdings ist die Deckung des erforderlichen Energiebedarfs der Gebäude nur mit einem ganzheitlichen Blick auf jedes einzelne Gebäude möglich: Nur wenn alle Komponenten erfüllt werden, wird ein klimaneutraler Gebäudebestand 2045 erreichbar – Anlagentechnik, erneuerbare Energien und Gebäudehülle sollten gleichermaßen Berücksichtigung befinden.
In effizienten Bestandsgebäuden liegen die größten – meist auch sehr wirtschaftlichen – Potenziale für Energieeinsparungen. Gleichzeitig können ineffiziente Gebäude ein hohes Risiko für Energiearmut für Gebäudebesitzende und Mietende bedeuten. Bereits heute sind hohe und volatile Preise für fossile Energieträger eine Gefahr für bezahlbare und sichere Energieversorgung. Künftig wird der steigende Preis für CO2 durch den EU-Emissionshandel diese Situation eher verschärfen. Dennoch sind auch erneuerbare Energien endlich und nicht kostenfrei erhältlich.
Planung zentrales Element für die Wärmewende: Kommune, Netze, Gebäude
Wie eine zukunftsorientierte Wärmeversorgung genau aussehen kann, hängt von verschiedenen planerischen Komponenten ab. Zentral ist die Einbindung in die vorhandene Versorgungsstruktur und damit die kommunale Wärmeplanung samt den Gegebenheiten vor Ort. Pläne für die Transformation der Wärmenetze spielen eine wesentliche Rolle. Hier müssen die Kommunen so früh wie möglich Klarheit über den einzuschlagenden Weg schaffen, um Orientierung für Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer zu geben. Das Instrument dazu ist die kommunale Wärmeplanung. Gleichzeitig sind Fachleute mit einer gebäudezentrierten Sicht gefragt, wenn es um die Planung einer Sanierung eines einzelnen Gebäudes geht. Hier greift der individuelle Sanierungsfahrplan (iSFP) mit seiner integrierten Betrachtungsweise, die auch eine über Jahre gestaffelte schrittweise Sanierung bei gleichzeitiger Abstimmung aller Einzelmaßnahmen aufeinander ermöglicht.
Nicht jedes Gebäude ist für alle Technologien geeignet. Die dena hat dazu im Rahmen des Gebäudeforums klimaneutral zusammen mit dem @ITG Dresden und dem @FIW München 14 verschiedene Erfüllungsmöglichkeiten für Ein- und Zweifamilienhäuser im Bestand übersichtlich dargestellt. Da Quartiere besondere Potenziale für netzgebundene Versorgung bieten, hat die dena zudem verschiedene Versorgungsvarianten auf Nahwärmebasis für vier verschiedene Siedlungstypen auf Quartiersebene gemeinsam mit der Ingenieurgesellschaft @Megawatt aufgearbeitet, um Anhaltspunkte für die Umsetzung erneuerbarer Wärmeversorgung zu liefern.
Wärmepumpen als zentrale Technologieoption
In neuen Wohngebäuden gibt es keine technischen Hindernisse, die gegen die Installation von Wärmepumpen sprechen. Auch im Bestand handelt sich um eine ausgereifte Technik, die in vielen Gebäuden mit bestehenden Heizkörpern eingesetzt werden und die fossil betriebene Heizung ablösen können. Aber Wärmepumpen sollten sinnvoll und effizient genutzt werden. Wo das der Fall ist, kann mit einer professionellen Energieberatung geklärt werden, am besten mit einer in der Energieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes gelisteten Person. Sie hilft – vorzugsweise anhand eines auf Grundlage des Beratungsgesprächs erarbeiteten iSFPs – bei der Entscheidung, ob eine Wärmepumpe ohne zusätzliche Maßnahmen installiert werden kann oder welche Effizienzmaßnahmen ergänzend sinnvoll wären.
Denn schlecht gedämmte Gebäude benötigen höhere Vorlauftemperaturen, was sich negativ auf den effizienten Betrieb einer Wärmepumpe auswirken kann, weil benötigte Strommengen und damit die Energiekosten steigen. Generell gilt aber, auch nach dem Einbau einer Wärmepumpe kann der Energiebedarf weiter schrittweise gesenkt werden, damit der Bedarf an erneuerbar erzeugter Energie und die Betriebskosten der Wärmepumpe weiter sinken.
Fakt ist: Um die Klimaschutzziele zu erreichen, benötigen wir Maßnahmen in allen Bereichen. Der Umstieg und Einsatz erneuerbarer Energien ist genauso wichtig wie Energieeffizienzmaßnahmen, die den Energiebedarf reduzieren. Die Berücksichtigung von Lebenszyklusaspekten einzelner Komponenten reduziert den Anteil grauer Energie weiter und sorgt für mehr Klimaschutz.