Internationaler Wissenstransfer: Moldau mit viel Potenzial für Agri-PV
Delegationsreise zu Pilotprojekten in Deutschland, die erneuerbare Stromerzeugung und Landwirtschaft sinnvoll kombinieren
Über den Rebstöcken des Staatsweingutes Freiburg sind in langen Reihen Solarmodule auf Gerüsten installiert, die in Richtung Tal ragen. Während unten der Wein wächst, wird oben Strom erzeugt – Agri-Photovoltaik (kurz: Agri-PV). Diese innovative Technologie macht eine Doppelnutzung von Flächen für die Landwirtschaft und für die Stromerzeugung möglich.
Eine Delegation von 15 Expertinnen und Experten von drei Ministerien, Fachbehörden, Unternehmen, von Landwirtschafts- und Energieverbänden sowie von Universitäten hat den weiten Weg von der Republik Moldau in den äußersten Südwesten Deutschlands auf sich genommen, um sich über diese Technologie zu informieren. Höchst interessiert hören sie dem Vortrag des verantwortlichen wissenschaftlichen Mitarbeiters Hannes Engler zu, der simultan gedolmetscht wird. Er erklärt, dass die Anlage auf dem Blankenhornsberg nicht nur rechnerisch 160 Haushalte mit Strom versorgen könnte, sondern auch Reben vor übermäßiger Hitze und Sonnenbrand schützt. Dies sind Herausforderungen, mit denen die Winzer aufgrund des Klimawandels zunehmend konfrontiert sind, gerade auch in dem südosteuropäischen Land mit seinen wichtigen Weinbauregionen.
Reise zu Pilotprojekten in Deutschlands führende Agri-PV-Region
Neben der Besichtigung der Agri-PV-Anlage im Weinberg hat die moldauische Delegation vom 24.–28. November weitere Pilotprojekte sowie führende Forschungsinstitute in Baden-Württemberg besucht. Das Bundesland erprobte in seiner „Modellregion Agri-PV BW“ unterschiedliche technologische Ansätze und ist damit deutschlandweit Vorreiter. Die dena hat diese Delegationseise im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) organisiert – mit Unterstützung von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Ziele der Reise: Moldauische Entscheidungsträger aus Politik und Landwirtschaft sollen möglichst praxisnah die Vorteile von Agri-PV kennenlernen. So soll eine Diskussion über die Einführung dieses innovativen Ansatzes im Land initiiert werden.
Die Reise ist Bestandteil eines Projektes, das die dena im Auftrag des BMWE seit 2024 in Moldau umsetzt. Moldau ist bereits auf einem guten Weg, das Energiesystem nachhaltig und sicher umzustellen: weg von fossilen Energieträgern, die aus dem Ausland importiert werden müssen –bis 2022 handelte es sich hier vor allem um russisches Erdgas – hin zu einer dezentralisierten und erneuerbaren Energieerzeugung. Dieser ambitionierte Reformprozess zahlt gleichzeitig auf Moldaus angestrebten Beitritt in die Europäische Union ein. Agri-PV als zusätzliche Erzeugungsquelle für erneuerbaren Strom kann damit nicht nur für Moldaus Energiesicherheit essenziell sein, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Integration Moldaus in den europäischen Strommarkt und die Angleichung an europäische Standards leisten.
Moldau mit Obstanbau und viel Sonne: hohes Potenial für Agri-PV
Das Potenzial für Agri-Photovoltaik in Moldau ist beachtlich. Rund 75 Prozent der Landesfläche werden landwirtschaftlich bewirtschaftet. Die Landwirtschaft ist traditionell ein sehr wichtiger Sektor der moldauischen Wirtschaft. Wein, Obst und Getreide machen zusammen knapp die Hälfte der Exporte aus. Gleichzeitig spürt das Land schon jetzt die Folgen des Klimawandels: längere Hitzeperioden, Starkregen und ein steigender Bewässerungsbedarf.
Agri-PV bietet Lösungen bei diesen Herausforderungen: Überbaute, schattenspendende Solarmodule können Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung und Hitze schützen. Siehelfen, den Wasserverbrauch zu reduzieren. Zudem erzeugen sie erneuerbaren Strom direkt auf dem Feld und können landwirtschaftlichen Betrieben zusätzliche Einnahmequellen eröffnen. Damit kann Agri-PV einen Beitrag leisten, dass Moldau seine erneuerbaren Energiequellen stärker nutzt und seine starke Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdgas reduziert.
Umfassende Einblicke in Forschung und Praxis
Auf der Reise gaben Wissenschaftler vom Fraunhofer ISE, die die Forschung und Umsetzung von Agri-PV in Deutschland maßgeblich vorantreiben, den Teilnehmenden einen umfassenden Einblick in die aktuelle Forschung – von Pflanzenphysiologie über Systemdesigns bis hin zu Bewässerungskonzepten und Fragen der Wirtschaftlichkeit. Damit das nicht zu abstrakt blieb, besuchte die Delegation mehrere Projekte mit unterschiedlichen Technologie-Konzepten vor Ort. Neben der Agri-PV-Anlage beim Staatsweingut waren das landwirtschaftliche Betriebe und Forschungsanlagen zum Anbau von Äpfeln, Kirschen, Zwetschgen und Beeren in Heuchlingen und Oberkirch. Dazu zählte auch eine Bürgerenergiegenossenschaft mit einer rund 24 Hektar großen Anlage mit 67 Reihen vertikal aufgestellten bifazialen PV-Modulen, zwischen denen künftig Bio-Getreide wachsen wird. Projektverantwortliche schilderten in kurzen Vorträgen Erfahrungen, Herausforderungen und den Nutzen.
Es wurde deutlich, dass sich nachhaltige Erträge, Pflanzenschutz, effizienter Wasserverbrauch und Energieproduktion in der Praxis sinnvoll verbinden lassen. Ergänzt wurden die Besuche durch Gespräche mit ansässigen Unternehmen, die Geschäftsmodelle, Finanzierungsmöglichkeiten und die konkrete Umsetzung von Agri-PV vorstellten.
Im August 2025 gelang es der Republik Moldau erstmalig in der Geschichte den Strombedarf für wenige Minuten vollständig durch lokale erneuerbare Erzeugung zu decken. Dies ist ein bemerkenswerter Meilenstein nach Jahrzehnten der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Während der Deutsch-Rumänisch-Moldauischen Wirtschaftskonferenz in Stuttgart, die die Delegation zum Abschuss der Reise besuchte, würdigte der Energieminister der Republik Moldau, Dorin Junghietu, diesen Erfolg und betonte die Bedeutung von Agri-PV für die zukünftige Energieversorgung der Republik Moldau als Motor für Innovation, Wachstum und nachhaltige Energielösungen.