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16.12.25 Innovation Digitalisierung & Innovation vorantreiben

Vom Baustein zum Gesamtbild: Wie digitale Infrastruktur ein flexibles Stromsystem formt

Dr. Susanne Kurowski, Expertin für digitale Technologien und das Start-up-Ökosystem, und Christian Wollbaum, Experte für Stromnetze, zeigen auf, wie sich das digitalisierte Energiesystem entwickelt.

Susanne Kurowski und Christian Wollbaum
Dr. Susanne Kurowski, Seniorexpertin Start-up Ökosystem und Christian Wollbaum, Experte Stromnetze II

Zur Autorin

Dr. Susanne Kurowski ist Seniorexpertin im Bereich Digitale Technologien & Start-up-Ökosystem bei der dena. Dort beschäftigt sie sich im Rahmen von Pilotprojekten und Studien mit intelligenten Messsystemen und der Förderung innovativer Geschäftsmodelle für die Energiewende. Sie promovierte an der TU München in Innovation & Technology Management. 

Zum Autor

Christian Wollbaum ist Experte für Stromnetze bei der dena. Er arbeitet zu den Themen Smart Grids, Flexibilitäten und Gesamtsystem. Er studierte Regenerative Energiesysteme im Master an der Technischen Universität Berlin.

Dynamische Stromtarife, die sich an der Strombörse orientieren, sind seit Anfang 2025 verpflichtend von Stromlieferanten anzubieten. Seit dem 1. April können steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen für Elektroautos, Wärmepumpen und Batteriespeicher in der Niederspannung zusätzlich zeitvariable Netzentgelte nutzen. Damit kommen zwei zentrale Puzzlestücke zusammen:  

  1. Elektroautos, Wärmepumpen und Batteriespeicher haben einen Anreiz, Strom dann zu beziehen,  
  2. wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird und die lokale Netzsituation dies gleichzeitig erlaubt.  

Von diesen verbrauchsseitigen Flexibilitäten profitieren das Stromsystem insgesamt sowie Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Digitalisierung des Energiesystems ist dafür eine wichtige Grundlage, denn sie ermöglicht die nötige Intelligenz im Netz. Dynamische Tarife und zeitvariable Netzentgelte werden erst damit funktionsfähig. 

Im Innovationsprojekt SET Hub untersucht die dena die technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen und regulatorischen Voraussetzungen sowie Anwendungen und Geschäftsmodelle für Digitalisierung und Flexibilität im Energiesystem. In den Pilotprojekten SET Pilots erproben die Mitarbeitenden innovative Anwendungsfälle. Sie stellen praxisnahe Informationen bereit, die Verständnis schaffen und das Umsetzen erleichtern. Dabei zeigt sich, dass die wesentlichen Voraussetzungen bereits gegeben sind:  

  • Ein zentrales Element ist der Rollout der Smart Meter (dt. intelligente Messsysteme) für das sichere Übertragen von Messdaten und Steuersignalen.  
  • Diese werden dann über den Controllable-Local –System-Kanal (CLS) sicher bis in die Liegenschaft übertragen.  
  • Ein Heim-Energiemanagementsystem (HEMS) nutzt diese Informationen anschließend für wichtige Anwendungsfälle wie beispielsweise das Optimieren des Eigenverbrauchs und das Nutzen dynamischer Tarife. 

Smart Meter als Grundlage für ein digitalisiertes Energiesystem

Smart Meter sind ein zentraler Baustein für die sichere und umfassende Digitalisierung des Energiesystems. Intelligente Messsysteme ermöglichen eine verbesserte Koordination von Stromverbrauch und -erzeugung. Vor dem Hintergrund wachsender dezentraler Erzeugungsanlagen und Verbrauchseinrichtungen ist das von großer Bedeutung. Durch die Übermittlung von Netzzustandsdaten: 

  • schaffen intelligente Messsysteme Transparenz im Verteilnetz,
  • ermöglichen das Steuern von Anlagen
  • und das Umsetzen innovativer Geschäftsmodelle wie dynamische Tarife.  

Damit grundständige Messstellenbetreiber den Smart-Meter-Rollout effizient planen können, hat Bittner+Krull im Rahmen eines SET Pilots ein grundlegendes Planungstool zur Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts entwickelt. Dieses wurde von ENERVIE Vernetzt für das Projekt der klimakommune.digital erfolgreich getestet und steht als Anwendungsbeispiel öffentlich zur Verfügung. 

Neben dem SET Pilot-Abschlussbericht fassen zwei Factsheets die regulatorischen Rahmenbedingungen sowie die zentralen Einflussgrößen für das Planen des Smart-Meter-Rollouts zusammen, insbesondere für grundzuständige Messstellenbetreiber. Eine weitere begleitende Studie mit dem FZI Forschungszentrum Informatik ergänzt die Analyse der Einflussgrößen und beleuchtet zusätzlich die Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher. 

Netz- und marktorientiert: Auf die Wirkung kommt es an

Dynamische Tarife setzen Anreize, Strom vor allem dann zu beziehen, wenn der Preis niedrig ist.  So kann beispielsweise der Energiepreis dynamisch gestaltet werden, um ein an der Strombörse orientiertes Verhalten zu fördern. Dadurch wird eine ausgeglichene Leistungsbilanz im gesamten Stromsystem unterstützt. Ein solches Verhalten berücksichtigt allerdings keine möglicherweise vorhandenen Engpässe im Stromnetz. Ergänzend dazu können zeitvariable Netzentgelte hier einen netzorientierten Anreiz setzen. Mit dem Einführen zeitvariabler Netzentgelte für steuerbare Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung gemäß § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wird ein erster Schritt in Richtung netzorientierter Anreize geschaffen. Eine Übersicht über die aktuell gültigen zeitvariablen Netzentgelte der verschiedenen Verteilnetzbetreiber hat der SET-Pilot-Projektpartner, die InnoCharge GmbH, gemeinsam mit der ene't GmbH erstellt: www.variable-netzentgelte.de.    

Smart Meter, CLS, HEMS und flexible Anlagen: Alles muss ineinandergreifen

Mit intelligenten Messsystemen, die aus einem Smart Meter Gateway (SMGW) und einer modernen Messeinrichtung (mME) bestehen, wurde eine sichere Kommunikationsinfrastruktur geschaffen. Sie erlaubt sowohl das Übertragen von Messwerten als auch von Steuersignalen. Damit eine sichere Kommunikation über das SMGW garantiert ist, wird ein CLS-Kanal als sicherer Kommunikationskanal aufgebaut. Wie diese regulatorisch vorgeschriebene Kommunikation über den CLS-Kanal funktioniert und welche Ausgestaltungsformen von CLS-Einheiten es gibt, hat der SET Hub in einem Factsheet übersichtlich zusammengefasst. 

Zum optimierten Einsatz mehrerer flexibler Anlagen, also steuerbarer Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Wallboxen sowie Erzeugungsanlagen im Haushalt, ist zusätzlich ein HEMS erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn dynamische Preise genutzt werden. Das HEMS empfängt Informationen wie Preissignale und Dimmbefehle des Netzbetreibers, berechnet optimierte Fahrpläne für die flexiblen Anlagen und steuert deren Einsatz. Dabei kann es wirtschaftlich optimierte Lösungen berechnen und umsetzen. So können dynamische Tarife effektiv und der Eigenverbrauch optimiert werden. Wenn netzorientierte Steuerungssignale nach § 14a EnWG das HEMS erreichen, so müssen diese zur Dimmung der flexiblen Anlagen stets priorisiert werden. 

Einen Überblick über die Begrifflichkeiten, Mehrwerte, Praxiserfahrungen und Gestaltungsansätze beim Einsatz von HEMS in Kombination mit Smart Meter, CLS-Einheit und flexiblen Anlagen hat der SET Hub gemeinsam mit dem FZI Forschungszentrum Informatik in einem Factsheet zusammengefasst. 

Endverbraucher und Energiesystem profitieren

Die Puzzlestücke des zukünftigen smarten Energiesystems fügen sich zusammen und bieten Mehrwerte für ein insgesamt effizientes und für Endverbraucher günstiges Energiesystem. Aufgrund der hohen Komplexität und der neuen Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren, Geräten und Anlagen gilt es jedoch weiterhin, technische, marktliche und regulatorische Hürden zu überwinden und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Mit den SET Pilots und weiteren Publikationen zeigt der SET Hub, dass die smarte Energiezukunft bereits heute möglich ist und wie ihre Weiterentwicklung aussehen kann. 

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