Vorteil Tempo: Beschleunigter Aufbau der Wasserstoff-Netze

05.09.2022 - Um Klimaneutralität und Energiesicherheit zu erreichen, muss Deutschland sein Energiesystem radikal umbauen. Eine entscheidende Rolle wird zukünftig grüner Wasserstoff spielen. Philipp Heilmaier, Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung bei der dena, erläutert im Kurz-Interview, was für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beachten ist.

Philipp Heilmaier, Bereichsleiter Zukunft der Energieversorgung / Foto: Götz Schleser

Warum ist eine Beschleunigung beim Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur so wichtig?

In einem klimaneutralen Energiesystem ist grüner Wasserstoff die zentrale Säule neben den erneuerbaren Energien. Und damit dieser auch kostengünstig transportiert werden kann, braucht es die entsprechende Infrastruktur. Bisher steht der Markt für grünen Wasserstoff in Deutschland und Europa noch recht am Anfang. Die fehlende Transport-Infrastruktur ist ein wesentlicher Grund, warum die Elektrolyse-Kapazitäten nicht schneller ausgebaut oder industrielle Prozesse umgestellt werden.

Können bestehende Erdgasleitungen umgerüstet und für die Verteilung von Wasserstoff genutzt werden?

Ja, das geht. Die Eignung von Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff wurde umfangreich untersucht. Ein Gutachten des TÜV Nord hat bestätigt, dass Erdgasfernleitungen, also die Rohre, problemlos von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden können. In einem niederländischen Projekt wurde das auch bereits demonstriert. Jedoch gibt es auch Netz-Komponenten, die nicht H2-tolerant sind, und ausgetauscht werden müssen. Das sind zum Beispiel bestimmte Mess- und Regelanlagen oder Verdichter.

Die Erdgasleitungen sind auch Bestandteil der Planungen. Das ‚European Hydrogen Backbone‘ zum Beispiel ist eine Initiative von 31 europäischen Fernleitungsnetzbetreibern (FNB) zum Aufbau eines europaweiten und insgesamt fast 40.000 km umfassenden Wasserstoffnetzes bis 2040. Bei rund 70 Prozent der dafür vorgesehenen Leitungen handelt es sich um bereits existierende Erdgasleitungen, die zu Wasserstoffleitungen umgewidmet werden sollen.

Wie werden Gas- und Wasserstoffnetze derzeit geplant? Wie können diese Planungen in Zukunft miteinander verzahnt werden?

Für die Sektoren Strom und Gas gibt es durch die sogenannten Netzentwicklungspläne bewährte Planungsprozesse. Für die Planung der Wasserstoffnetze existiert ein solcher Prozess bisher noch gar nicht. Das müssen wir jetzt schnell angehen.

Neben einem Planungsprozess für Wasserstoffnetze ist es außerdem notwendig, die Planung der einzelnen Sektoren besser aufeinander abzustimmen. Die dena hat deshalb im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanzierten Stakeholder-Dialogs das Konzept für die Umsetzung eines Systementwicklungsplans entwickelt. Dabei handelt es sich um einen der Infrastrukturplanung für Strom, Gas und Wasserstoff vorgelagerten, integrierten Prozess. Hier hat sich bereits einiges getan: Die Bundesregierung hat zu Beginn dieses Jahres die Umsetzung einer sogenannten Systementwicklungsstrategie angekündigt.

Foto: Götz Schleser