Vorteil Tempo: Klimaziele im Verkehrssektor liegen auf der Straße

22.02.2023 - In der Debatte um CO2-Einsparungen im Verkehr rückt die Straße zunehmend in den Fokus. Kein Wunder, wird auf ihr immerhin ein Großteil der Verkehrsemissionen verursacht. Um das möglichst schnell zu ändern, sind laut Emmanuel Lagrandeur-Bouressy, dena-Arbeitsgebietsleiter Mobilität, drei Maßnahmen zentral: Straßenverkehr verlagern, E-Autos fördern und Biokraftstoffe für Lkws nutzen.

Emmanuel Lagrandeur-Bouressy, Arbeitsgebietsleiter Mobilität / Bild: Hoffotografen

Ganze acht Prozent über dem Zielwert des Klimaschutzgesetzes lagen die Treibhausgasemissionen (THG) des Verkehrssektors nach ersten Schätzungen im vergangenen Jahr. Damit steht für die Bundesregierung fest: Um die THG-Lücke von rund 11 Millionen Tonnen zu schließen, muss innerhalb der kommenden Monate ein Sofortpaket mit ambitionierten Einsparmaßnahmen her. Die gute Nachricht: Ansatzpunkte hierfür gibt es viele. Was derzeit allerdings noch fehlt: ein Fahrplan, auf den sich alle Bundesministerien einigen können.

Von der Straße zur Schiene

Im Zentrum der Debatte steht dabei vor allem der Straßenverkehr. Kein Wunder, wurden durch ihn 2022 immerhin ganze 97 Prozent aller THG-Emissionen im Verkehr verursacht, so der Expertenrat für Klimafragen. Für die Auto-Nation Deutschland heißt „Verkehrswende“ also in erster Linie „Straßenwende“. Sie beginnt im besten Fall mit der Verlagerung von Personen- und Güterverkehr auf die Schiene. Gelingt der Regierung und den Regionen hier ein zügiger Ausbau der Angebote, nähern wir uns den mittelfristigen Sektorzielen bereits einen großen Schritt. Das hat unter anderem die dena-Leitstudie von 2021 gezeigt. Vieles liegt bereits auf dem Tisch: Im Bundesklimaschutzgesetz sind bereits sektorenspezifische Minderungsziele verankert. Konkrete Maßnahmen wurden bereits im Klimaschutzprogramm 2030 definiert. Ein umfassendes Klimaschutz-Sofortprogramm soll nun zügig folgen, um die vorhandenen Lücken zu schließen. Über letzteres gibt es aber noch politische Auseinandersetzungen.

Deutschlandtakt, Deutschlandticket, Deutschlandtempo

Klar sind dagegen die Ziele für den Güterverkehr aus dem Klimaschutzprogramm 2030. So soll der Schienenanteil bei Gütern bis 2030 von 18 auf 25 Prozent gehoben werden. Wichtige Maßnahmen hierfür sind die Einführung des Deutschlandtakts, die digitale Kopplung und die Beschleunigung von Bauarbeiten – Stichwort „Deutschlandtempo“. Infrastrukturelle Stärkungen, die sich auch über entsprechende Priorisierungen im Bundesverkehrswegeplan 2030 steuern ließen, der momentan von der Regierung überarbeitet wird. Für eine Ertüchtigung der Bahn im Sinne des 1,5-Grad-Ziels würden diese Infrastrukturprojekte allein allerdings nicht reichen. Denn ohne mehr Personal und Züge bleibt die Kapazität auch weiterhin zu knapp. Das hat unter anderem die Einführung des 9-Euro-Tickets im vergangenen Jahr gezeigt. Damit sich diese Situation nicht beim Deutschlandticket wiederholt, sollte möglichst schnell eine Offensive angestoßen werden.

E-Autos langfristig fördern

Da das Potenzial zur Verkehrsverlagerung begrenzt ist, gilt es die Antriebswende in den Blick zu nehmen. Im Pkw-Segment spielt hier das E-Auto eine zentrale Rolle, da es den Antriebsvergleich in Sachen Effizienz klar anführt. Und das laut einer dena-Studie von 2021 nicht nur heute, sondern auch perspektivisch in den Jahren 2030 und 2040. Um diese Effizienzvorteile möglichst schnell auf die Straße zu bringen, bedarf es Nachhilfe bei der Akzeptanz. Das zeigt eine in Kürze erscheinende Umfrage des dena-Projekts „alternativ-mobil“. Laut ihr liegt die Zahl der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich beim Neuwagenkauf für ein batterieelektrisches Auto (BEV) entscheiden würden, derzeit bei nur 31 Prozent. Als Grund hierfür werden Bedenken bei Reichweite, Preis und Lademöglichkeiten genannt. Punkte, bei denen die Regierung mit einer langfristigen Förderpolitik nachhelfen kann. Drei Ansätze hierfür: BEV-Förderungen verlängern, Prämien-Auszahlung bei Kauf statt Zulassung ermöglichen und Planungshürden beim Infrastrukturausbau abbauen. Eine weitere Idee: Parkgebühren für E-Autos halbieren. Kommen dann noch flankierende Push-Maßnahmen, wie eine Verschärfung des nationalen Zertifikatehandels im Verkehrssektor, wird das E-Auto auch für breite Käuferschichten attraktiv.

Schwerlastverkehr muss mehrspurig fahren

Von teureren CO2-Zertifikaten würde auch die Antriebswende im Schwerlastverkehr profitieren, die derzeit noch ganz am Anfang steht. Der Grund: Im Vergleich zu konventionellen Verbrennern sind E- und H2-Antriebe noch deutlich teurer, kaum verfügbar, schwer zu finanzieren und weisen eine sehr lückenhafte Lade- und Betankungsinfrastruktur auf. Die Folge: Viele Kaufentscheidungen werden aufgeschoben oder fallen zugunsten von Benzin- und Dieselmotoren aus. Dabei gibt es mit Biogas-Antrieben bereits Alternativen, die auch schon kurz- und mittelfristig für CO2-Einsparungen sorgen könnten. Um die kurzfristigen Potenziale aller Antriebsarten zu nutzen, sollte deshalb auf EU-Ebene für einen technologieoffenen Ansatz bei den Lkw-Flottenzielen und der CO2-Maut geworben werden. Mit der Plattform Nachhaltiger Schwerlastverkehr geht die dena hier bereits mit Lösungsvorschlägen voran. Weiter empfehlen sich auch im Schwerlastverkehr eine Vereinfachung der Förderanträge sowie eine Beschleunigung beim Ausbau der Lade- und Betankungsinfrastruktur, wie im Masterplan bereits angestrebt.

Kommunen als Hebel nutzen

Oft vergessen, aber ein wichtiger Hebel: Mit ihren rund 10.000 Kommunen, 130 Bundesbehörden und 16 Bundesländern verfügt die öffentliche Hand über eine immense Marktmacht. Auch sie sollte vom Staat bei der Umsetzung der Verkehrssektorziele stets mitgedacht werden. Zum Beispiel, indem bei der Beschaffung des ÖPNVs und öffentlicher Fuhrparks konsequent auf alternative Antriebe gesetzt wird. Auf diese Weise ließen sich die neuen Technologien deutlich schneller skalieren und könnten über eine zügige Kostendegression den Sprung in den Massenmarkt zügiger schaffen. Mit der „Clean Vehicles Directive“ der EU wird eine solche „First-Mover-Position“ des Staates bereits adressiert. Als Vorreiter könnte die Bundesregierung das Ambitionsniveau allerdings noch einmal anheben und für zusätzliche Unterstützung sorgen. Die dena finalisiert aktuell einen Leitfaden für Kommunen mit rechtlichen Hinweisen für die nachhaltige Beschaffung. Darüber hinaus sind auch unterstützende Aktivitäten für Bundesbehörden in Planung, die das Mobilitätsmanagement fördern sollen. Denn auch intelligente Anreizsysteme und eine bessere Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger halten große Energieeffizienz- und Klimaschutzpotenziale bereit.