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Mehr "Made in Europe" schaffen: Solar- und Windindustrie über das Ausschreibungssystem für erneuerbare Energien fördern

11.12.2023 - Mehr "Made in Europe" schaffen: Solar- und Windindustrie über das Ausschreibungssystem für erneuerbare Energien fördern. Eine dena-Analyse bewertet, wie die Nachfrage nach europäischen Energiewende-Technologien gestärkt werden kann. Details kennt dena-Seniorexperte und Projektleiter Joscha Müller.

Joscha Müller, Seniorexperte und -Projektleiter / Foto: Hoffotografen

Die europäischen Hersteller von Wind- und Solaranlagen befinden sich in einem harten Wettbewerb mit internationaler Konkurrenz aus den USA und China, die von hohen Subventionen profitieren. Ließe sich über das Ausschreibungssystem für erneuerbare Energien eine gezielte Nachfrage nach "Made in Europe" erzeugen, um dieser Wettbewerbsverzerrung entgegenzusteuern? dena-Seniorexperte und -Projektleiter Joscha Müller berichtet aus der neuen Analyse „Nachfrage nach ‚Made in Europe‘ stärken: Nutzung qualitativer Ausschreibungskriterien für Wind Onshore und PV.“ Diese ist im Rahmen vom Stakeholderdialog industrielle Produktionskapazitäten für die Energiewende (StiPE) entstanden.

Im heutigen Ausschreibungssystem für Wind- und Photovoltaik (PV)-Parks bekommen die Projekte den Förderzuschlag, die den niedrigsten Förderbedarf geltend machen. Über dieses System konnte die benötigte Förderung erneuerbarer Energieerzeugung in der Vergangenheit signifikant gesenkt werden. Der Nebeneffekt: Es entstand ein enormer Kostendruck auf die Hersteller von Windturbinen und Solarmodulen. In Verbindung mit den Subventionsprogrammen, von denen Hersteller z. B. in den USA und China profitieren, hat dies die europäischen Hersteller in eine schwierige wirtschaftliche Situation gebracht.

Höhere Resilienz der Lieferketten ist politisches Ziel

Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es ein deutlich erhöhtes Bewusstsein in Deutschland und der Europäischen Union (EU) für einseitige Abhängigkeiten bei Energieträgern, kritischen Rohstoffen und Technologien. Bei der Versorgung mit Solartechnologie sind Deutschland und die anderen Staaten der EU heutzutage zu gut 90 % von chinesischen Herstellern abhängig. Auch bei Windturbinen kommen viele Bauteile in der Lieferkette aus China. Auch deshalb wird auf europäischer Ebene gerade der Net Zero Industry Act (NZIA) verhandelt, der die hiesigen Industrien stärken soll.

Europäische Solarindustrie: Qualitative Kriterien können Skalierung unterstützen

Wenn in Zukunft nicht mehr nur der Preis über den Auktionszuschlag entschiede, sondern auch andere, nicht-preisliche (bzw. qualitative) Eigenschaften der Projekte herangezogen würden, könnte dies eine stärkere Nachfrage nach den Produkten europäischer Hersteller entfachen. Gerade in der #Solarindustrie ist eine ausreichend große und stabile Nachfrage notwendig, damit die Hersteller in großskalige Fabriken investieren können. Über Skaleneffekte können sie dann wiederum ihre Kosten senken und wettbewerbsfähiger werden.

Dafür erscheinen Kriterien mit Anforderungen an die europäische Wertschöpfung am effektivsten („European Content“). Die Vereinbarkeit solcher Kriterien mit internationalem Handels- und Wettbewerbsrecht ist allerdings fraglich. Alternativ kann der CO2-Fußabdruck (kg CO2e/kWp) zum Vorteil europäischer Hersteller herangezogen werden. Die Emissionen des zur Herstellung verwendeten Strommix' sind der größte Einflussfaktor für den CO2-Fußabdruck von PV-Modulen. Da europäische Länder einen Strommix mit geringeren spezifischen Emissionen (kg CO2e/kWh) aufweisen als relevante ausländische Märkte, haben in Europa hergestellte PV-Produkte einen niedrigeren CO2-Fußabdruck.

Windindustrie: Qualitative Kriterien funktionieren als Marktschutz

In der Windindustrie sind die industriepolitischen Vorteile qualitativer Kriterien weniger eindeutig, da die Stabilisierung der Nachfrage zunächst von der Verfügbarkeit ausreichender Flächen und beschleunigten Genehmigungsverfahren abhängt. Perspektivisch können, ähnlich wie in der Solarindustrie, Kriterien zum European Content und CO2-Fußabdruck zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen eingesetzt werden.

Bei der Umsetzung sind Herausforderungen zu beachten

Qualitative Kriterien lassen sich bereits bei der Zulassung von Projekten zur Ausschreibung prüfen (Präqualifikationskriterien), bei der Bewertung der Gebote (Evaluationskriterien) oder zur Freigabe einer Bonuszahlung auf die Vergütung (Bonuskriterien). Die Anwendung von Präqualifikationskriterien sollte kritisch betrachtet werden, um eine Verknappung des Angebots und damit Auswirkungen auf die Ausbauziele zu vermeiden. Stattdessen bieten sich Evaluations- oder Bonuskriterien an, um industrie- und energiepolitische Ziele zu vereinen. Auch das zu erwartende Wettbewerbsniveau spielt bei der Definition wirksamer Kriterien eine große Rolle. 

Um in diesem Spannungsfeld Orientierung zu geben, hat die dena in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Tetra Tech die Analyse „Nachfrage nach ‚Made in Europe‘ stärken: Nutzung qualitativer Ausschreibungskriterien für Wind Onshore und PV“ erstellt, die Wirksamkeit, Gestaltungsmöglichkeiten und die potenziellen Risiken der Einführung qualitativer Ausschreibungskriterien diskutiert. Das Papier wurde in Gegenwart von Bundesminister Dr. Robert Habeck und Industrievertreterinnen und -vertreter beim 4. Roundtable zur Stärkung der deutschen Transformationsindustrien vorgestellt.

Konsequent Umsetzen - Gemeinsam

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