H2 International

Deutsch-Kasachische Wasserstoff-Wende

19.12.2022 - Sonne und Wind machen Kasachstan zu einem idealen Standort für erneuerbare Energien – und damit zu einem begehrten Partner für Europa. Zusätzlich zu bisherigen Aktivitäten des bilateralen Energiedialogs eröffnet Deutschland jetzt ein eigenes Büro für die Wasserstoff-Diplomatie und hofft auf das erste Mega-Projekt: Wind- und Solarparks mit einer Nennleistung von 40.000 Megawatt für grünen Wasserstoff.

Ein Energiefeld für erneuerbare Energien stärkt die Unabhängigkeit

Hovsep Voskanyan (Delegierter der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien):

„Für Kasachstan ist es eine Möglichkeit, sich aus dem emissionslastigen Sektor der fossilen Brennstoffe herauszudiversifizieren. Deutschland wiederum kann die Technologien für diese Anlagen liefern und zugleich einen verlässlichen Lieferanten für grünen Wasserstoff bekommen.“

Solarparks und Windräder, soweit das Auge reicht. Das ist die Vision von Wolfgang Kropp, dem Geschäftsführer des deutschen Unternehmens Svevind. „Kropp mag es groß“, hat ein Branchen-Dienst im Juli über den Wind-Unternehmer aus Dresden geschrieben. Und das ist wohl eine Untertreibung. Im Projekt „Hyrasia One“ will er 40.000 Megawatt an Wind- und Solarparks sowie 20.000 Megawatt-Elektrolyseleistung für grünen Wasserstoff in Kasachstan aufbauen. Die benötigte Fläche dafür ist so groß wie Brandenburg.

Die Zusammenarbeit im Bereich der Erneuerbaren Energien verspreche viele Vorteile für Kasachstan und Deutschland, erklärt Hovsep Voskanyan, Vorsitzender des Verbands der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan und Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Zentralasien.

Kropp ist mit „Hyrasia One“ zur Symbolfigur für die sich anbahnende deutsch-kasachische Wasserstoff-Partnerschaft geworden, die von Dresden über Berlin und Brüssel bis in die kasachische Hauptstadt Astana reicht. Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine als Katalysator.  

Die dena hatte schon im September im Rahmen des Deutsch-Kasachischen Energiedialogs zur Konferenz „Deutsch-Kasachische Wasserstoff-Kooperation: Status Quo und Perspektiven“ eingeladen. Eine zentrale Botschaft: Mit der Ausrichtung der Wasserstoff-Produktion auf erneuerbare Energien legt Kasachstan den Grundstein, um regulatorische Anforderungen der EU für den Import des Energieträgers zu erfüllen.

Durch Dialog konkrete Handlungsfelder festlegen und umsetzen

Der Austausch hierzu wird auf Expertenebene im kommenden Jahr fortgesetzt. Auf der Suche nach neuen Energielieferanten in aller Welt ist Außenministerin Annalena Baerbock Anfang November 2022 folgerichtig in das zentralasiatische Land gereist. „Kasachstan hat enorme Ausbaumöglichkeiten für die Wasserstoffwirtschaft und seit Jahrzehnten enge wirtschaftliche Verbindungen mit Deutschland“, sagte Baerbock. Für Januar 2023 hat das Außenministerium inzwischen die Eröffnung eines „Wasserstoffdiplomatiebüros“ zur „Förderung des internationalen Wasserstoff-Markthochlaufs“ angekündigt. Solche Vertretungen gibt es bereits in Nigeria, Angola, Saudi-Arabien und der Ukraine.

Das technische Potenzial ist unbestritten: Kasachstan ist mit 2,7 Millionen Quadratkilometern mehr als siebenmal so groß wie Deutschland – bei unter 19 Millionen Einwohnern. Das Land zwischen Russland und China besteht mindestens zu einem Drittel aus riesigen Steppen und Wüsten. Die „reservierten und voruntersuchten Flächen“ für das Hyrasia-Projekt der Svevind etwa liegen ganz im Südwesten des Landes, an den Grenzen zu Usbekistan und Turkmenistan.

Power durch die Sonne

„Kasachstan ist ein idealer Standort für die Erzeugung von sauberer Energie und grünem Wasserstoff“, erklärt Wolfgang Kropp. „In den ausgedehnten Steppen herrschten ganzjährig ausgezeichnete Windverhältnisse und die Sonneneinstrahlung sei weit intensiver als in Zentraleuropa“, so der Unternehmenschef weiter. Und für den Preis von grünem Wasserstoff ist günstiger Strom entscheidend: Fachleute schätzen, dass die Produktionskosten zu 80 Prozent am Strompreis hängen. Die Kosten für die Elektrolyse selber sind da schon fast sekundär.

Für ein solches Mega-Projekt ist die politische Unterstützung unerlässlich. Kasachstan hat durch seine Geschichte als „Kasachische Sowjetrepublik“ und die direkte Grenze zu China enge politische Verbindungen und Abhängigkeiten zu den beiden Großmächten der Region.

Wasserstofftechnologie als Treiber der Energiewende

Präsident Kassym-Jomart Tokajew distanziert sich vorsichtig von Russlands Krieg gegen die Ukraine, trifft Chinas Staatschef Xi Jinping und intensiviert die Beziehungen Richtung Westen: „Das ist das größte Projekt in dieser Art, aber es schöpft Kasachstans Möglichkeiten bei Weitem nicht aus“, sagte er beim Treffen mit Baerbock über Hyrasia. „Ich glaube, dass unser Land eine große Chance hat, eines der weltweit führenden Zentren für die Produktion von grünem Wasserstoff zu sein“, zitiert ihn die Astana Times. Die Balance zwischen dem Westen, Russland und China zu halten, gilt als Drahtseilakt.

Zur Unterzeichnung des Investitionsabkommens für Hyrasia Ende Oktober war neben Tokajew auch EU-Ratspräsident Charles Michel angereist – denn die EU finanziert das Projekt mit. Anfang November 2022 hat Kasachstan mit der EU außerdem ein Partnerschaftsabkommen geschlossen, das neben der Rohstoffversorgung auf die Entwicklung von „Wertschöpfungsketten für erneuerbaren Wasserstoff und Batterien“ zielt.

Ob und wie der Wasserstoff aus Kasachstan eines Tages wirklich in die EU gelangt, ist offen. „Wasserstoff von dort nach Europa zu schaffen, wird eine logistische Herausforderung und bedarf bereits jetzt erheblichen Investitionen“, schreibt Eduard Kinsbruner, Regionaldirektor des Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, als Resümee einer Reise, bei der 60 Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft im September die Wirtschaftsmetropole Almaty besuchten.  

Der Deutsch-Kasachische Energiedialog unter Leitung der dena hat das Thema Exportwege für Wasserstoff zwischen Zentralasien und Europa im Rahmen einer mehrteiligen Workshop-Reihe mit kasachischen Partnern bereits aufgegriffen. Zunehmend in den Vordergrund rückt hierbei die Überlegung, den Südlichen Gaskorridor durch das Kaspische Meer bis nach Aktau in Kasachstan zu verlängern. Und das auch, weil die technisch naheliegende Umrüstung der Sojus-Pipeline von Gazprom auf Wasserstoff-Anforderungen politisch auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist.

Aber auch die Produktionen, wie  von Stahl, Alu, Zement und Dünger, in Kasachstan selber brauchen Wasserstoff als Rohstoff aus Wind und Sonne, wenn sie grün werden will. Ist das grüne Molekül künftig im großen Stil verfügbar, bieten sich der deutschen Wirtschaft enorme Chancen zum Markteinstieg und zur Vertiefung des bisherigen Engagements. Schlüsselqualifikationen deutscher Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau sowie aus dem Transportsektor werden dabei weiterhin besonders gefragt sein.

Template: Download
SUPPORT MECHANISMS FOR INTERNATIONAL HYDROGEN PROJECTS BY THE GERMAN GOVERNMENT

SUPPORT MECHANISMS FOR INTERNATIONAL HYDROGEN PROJECTS BY THE GERMAN GOVERNMENT

Zur Unterstützung der Entwicklung internationaler Wasserstoffprojekte bietet der Bund eine Vielzahl an Programmen und Fördermaßnahmen an. Hier finden Sie die Maßnahmen.

 

Bilder: A Visual Hyrasia One Kasachstan/Svevind, shutterstock/Parilov, shutterstock/Audio und werbung