Solaranlagen, Windräder oder Blockheizkraftwerke – mit der Energiewende steigt die Zahl der Stromerzeuger. Das wirft viele Fragen auf: Wie viel Strom steht zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung, wenn die Produktion von Wind oder Sonne abhängt? Wie viel Bedarf gibt es gleichzeitig im Netz? Und wie bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis, zu dem der Strom gehandelt wird? Eins steht fest: Das Energiesystem wird komplexer. Das Handling großer Datenmengen lässt sich nur mithilfe der Digitalisierung bewältigen.
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„In Smart Grids gibt es sehr viel Informationsaustausch, künftig idealerweise in Echtzeit. Systemrelevante Akteure wie Übertragungs- oder Verteilnetzbetreiber müssen auf den Informationsgehalt hundertprozentig vertrauen können, denn sie bauen darauf das Energiesystem von morgen auf.“
Eine Lösung könnte die Blockchain sein, eine Grundlagentechnologie für digitale Transaktionen, die derzeit in aller Munde ist. Im Zusammenspiel mit Smart Grids – intelligenten Stromnetzen – müssen Energie und Daten gleichzeitig fließen und Stromerzeugung und -verbrauch ausbalancieren. „In Smart Grids gibt es sehr viel Informationsaustausch, künftig idealerweise in Echtzeit. Systemrelevante Akteure wie Übertragungs- oder Verteilnetzbetreiber müssen auf den Informationsgehalt hundertprozentig vertrauen können, denn sie bauen darauf das Energiesystem von morgen auf“, erklärt dena-Experte Philipp Richard. Faktoren wie die aktuelle Auslastung des Stromnetzes oder die Frage, wo und wie der Strom erzeugt wurde – konventionell oder mit erneuerbaren Energien – müssen einbezogen werden. Die Blockchain könnte helfen, die Datenflut zu meistern – das Energiesystem ließe sich so besser steuern.
Die Blockchain erleichtert den Handel
Die Blockchain eignet sich besonders gut für Geschäfte zwischen mehreren Parteien. Sie macht Kontrolleure und vermittelnde Instanzen wie Banken oder Händler überflüssig, weil die Transaktionen quasi automatisch ablaufen. Das macht die Blockchain so revolutionär: Sämtliche Daten einer Transaktion werden dezentral auf den Rechnern aller Beteiligten gespeichert und laufend synchronisiert. Wie an einer Kette aufgereiht, bauen die einzelnen Datenblöcke aufeinander auf und dokumentieren die übertragenen Informationen fälschungssicher. Die permanente Synchronisation und eine ausgeklügelte Verschlüsselung schützen die Blockchain sehr gut vor Angriffen und Manipulationen: Wer die Daten manipulieren will, müsste auf jeden einzelnen Rechner des Netzwerks zugreifen. Ein enormer Aufwand.
Es ist genau diese Selbstkontrolle, die die Technologie so spannend macht, erklärt Prof. Dr. Jens Strüker vom Institut für Energiewirtschaft der Hochschule Fresenius: „Die Blockchain ermöglicht sichere und direkte digitale Transaktionen inklusive Leistungsaustausch und Zahlungsabwicklung zwischen Unbekannten. Auch Güter wie Strom können – mit Anpassungen – zwischen Erzeugern und Verbrauchern direkt gehandelt werden.“
Mögliches Einsatzfeld Elektromobilität
Neben dem Stromhandel könnte ebenso die Elektromobilität ein Einsatzfeld für die Blockchain sein: Etwa wenn der Akku des E-Autos schlappmacht und keine öffentliche Ladesäule in Reichweite ist. Kein Problem, wenn potenziell auch jede private Ladestelle in der Hofeinfahrt genutzt werden könnte. Mithilfe der Blockchain könnten die Besitzer ihre E-Tankstellen unkompliziert auch für Dritte öffnen. Via Smartphone-App geht das in einigen Fällen zwar schon heute, aber auch hier werden noch Vermittler benötigt. Mit der Blockchain wäre die Transaktion direkter, schneller und günstiger denkbar.
Es ginge sogar noch spektakulärer: Über in Straßen eingelassene Induktionsplatten könnten E-Fahrzeuge automatisch während des Ampelstopps aufladen. Das via Blockchain vernetzte Fahrzeug kommuniziert eigenständig mit der Ladeinfrastruktur und bezahlt selbstständig. Plötzlich stört die rote Ampel gar nicht mehr so sehr: Immerhin verschafft sie wertvolle Ladezeit.

Wunder Punkt Energieverbrauch
Bei aller Begeisterung für die Möglichkeiten der Blockchain gibt es auch noch kritische Punkte. Einer davon: Sie verbraucht vergleichsweise viel Energie. So sind etwa riesige Rechenzentren nötig, um allein die Transaktionen der Digitalwährung Bitcoin zu verarbeiten, die ebenfalls auf der Blockchain-Technologie beruht. Nach Einschätzung von dena-Experte Richard ist der hohe Energieverbrauch derzeit noch eine zentrale Frage, an der sich die Zukunft der Blockchain entscheiden könnte. „Eine umfassende Digitalisierung verbraucht zusätzliche Energie, das ist ein Fakt“, sagt er. Wichtig sei aber, den Energieverbrauch und den Nutzen der Blockchain mit alternativen IT-Lösungen ins Verhältnis zu setzen: Im Einzelfall müsse dann geprüft werden, wie die energetische Gesamtbilanz einer bestimmten Anwendung ausfällt.
Auch Strüker bewertet den Hype um die Blockchain nüchtern. „Die Energiewirtschaft ist von der Blockchain begeistert. Jetzt muss sich zeigen, ob die Begeisterung hält, wenn wir sie im Alltag einsetzen“, sagt der Experte von der Hochschule Fresenius. Seine Vermutung: Der Begriff Blockchain werde in den Hintergrund treten, die Basistechnologie dahinter werde aber „still und leise überall Verwendung“ finden.

Auch Philipp Richard ist nicht überzeugt, dass die Blockchain der alleinige „Königsweg“ für die Digitalisierung des Energiesystems ist. Die Entwicklung stehe noch am Anfang. Außerdem konkurriere die digitale Transaktionstechnologie mit anderen IT-Lösungen, etwa zentralen Datenbanksystemen. „Unternehmen sollten pragmatisch entscheiden, ob die Blockchain für sie einen Mehrwert bietet“, rät er. Die speziell in Berlin starke Blockchain-Szene vermarkte die Technologie allerdings ohne Frage sehr gut und verschaffe ihr dadurch einen Vorteil gegenüber alternativen Lösungen – natürlich gehe es dabei auch um Marktanteile. Trotz der bisher ungelösten Fragen geht Richard davon aus, dass die Blockchain in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird – auch in der Energiewirtschaft. „Die Menge der verfügbaren Daten wird mit der Digitalisierung weiter rapide ansteigen. Um diese riesigen Datenmengen zu beherrschen, bedarf es einer transparenten, automatisierten Dokumentation – genau das leistet die Blockchain.“
Algorithmus versus Banker: Wandert das Vertrauen zur Technik?
Der dena-Experte nennt noch einen weiteren Aspekt: „In einer global vernetzten Welt gibt es immer mehr Transaktionen, bei denen die beteiligten Menschen nicht mehr in direktem Kontakt miteinander stehen.“ Gegenseitiges Vertrauen sei da immer schwieriger herzustellen. Die Blockchain könne dank ihrer Manipulationssicherheit und Transparenz ein Teil der Lösung sein: „Die Frage ist, ob die Blockchain bei bestimmten Anwendungen nicht sogar verlässlicher sein kann als der direkte menschliche Kontakt.“
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