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Städtebau mit der Schablone

Infrastrukturen und Gebäude in postsowjetischen Städten ähneln sich stark, da sie nach den gleichen Plänen errichtet wurden. Das birgt Chancen: Über eine internationale Dialogplattform tauschen sich Länder aus Osteuropa und Zentralasien zur Modernisierung ihrer städtischen Energieinfrastruktur aus.

Eine Tram fährt durch das verschneite Kiew: Der Modernisierungsbedarf in postsowjetischen Städten ist hoch

Wer sich ältere Wohnblocks in Städten wie Wladiwostok, Nur-Sultan, Taschkent, Moskau, Kiew oder Baku anschaut, bemerkt schnell auffällige Ähnlichkeiten. Die Gebäude haben denselben Zuschnitt und auch die Wohnungen haben dieselbe Größe. Das ist kein Zufall: Während der gemeinsamen Zeit in der Sowjetunion wurde in allen zugehörigen Ländern nach den gleichen Grundprinzipien gebaut: standardisierter Aufbau und Grundrisse, industriell vorgefertigte Bauteile. In der Stalin-Ära baute man die so genannten „Stalinka“, unter seinem Nachfolger hießen sie dann „Chruschtschowka“. Vom industriellen standardisierten Bauen profitierten allein zwischen 1956 und 1965 rund 108 Millionen Bürgerinnen und Bürger – mehr als ein Drittel der damaligen Gesamtbevölkerung.

Modernisierung der städtischen Energieinfrastruktur

Diese Gebäude und die Stadtviertel entstanden zu einer Zeit, in der Energieeffizienz und Klimaschutz nicht auf der politischen Agenda standen. Nach dem Ende der Sowjetunion fehlten häufig die finanziellen Mittel für eine Aufwertung. Der Modernisierungsbedarf ist heute entsprechend hoch, beispielsweise bei der Wärmeversorgung, der kommunalen Abfallwirtschaft oder der Gebäudedämmung.

Die einst zusammenhängenden Staaten sind heute unabhängig, haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Wie Deutschland haben sich die Länder Osteuropas und Zentralasiens verpflichtende Klimaschutzziele gesetzt. Die große Ähnlichkeit der städtischen Infrastrukturen birgt Chancen. Erfolgreiche Konzepte lassen sich sehr gut übertragen. Voraussetzung dafür ist ein länderübergreifender Austausch.

Eine Plattform für internationalen Austausch

Hier setzt die länderübergreifende Dialogplattform „Urbane Energieinfrastruktur“ an, die die dena mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie betreibt. Beteiligt sind die Länder Belarus, Deutschland, Kasachstan, Russland, die Ukraine und Usbekistan. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft tauschen sich auf Konferenzen, in Workshops und auf Studienreisen zur Modernisierung städtischer Energieinfrastruktur aus. Im Fokus stehen dabei die Dezentralisierung der Wärmeversorgung, nachhaltige Abfallwirtschaft, Digitalisierung und neue Finanzierungsmodelle.

Studienreise zu Modernisierungsprojekten

Die Heizzentrale im Berliner Möckernkiez: ein Ziel der gemeinsamen Studienreise

Unmittelbar vor der Corona-Krise, im März 2020, kamen internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Dialogplattform für eine dreitägige Studienreise nach Berlin und Hamburg. Die Gäste besuchten elf deutsche Modernisierungsprojekte, darunter Energieversorgung von Stadtquartieren durch Erneuerbare, Nutzung industrieller Abwärme für Wohngebiete und Energiegewinnung aus kommunalen Abfällen.

Letzteres war für Vitaly Badmaev, stellvertretender Minister für Ökologie in der russischen Region Krasnojarsk, besonders interessant. Denn Badmaev engagiert sich in Krasnojarsk unter anderem für eine nachhaltigere kommunale Abfallwirtschaft. Durch den Austausch über die Dialogplattform hat sich seine Auffassung von Energieeffizienz grundlegend verändert: „Ich habe mittlerweile erkannt, wie die Themen Energieeffizienz und Umweltschutz miteinander verbunden sind, und dass komplexe Lösungen für echte Fortschritte erforderlich sind“, erklärt er. Valentyna Huch ist Expertin für energieeffiziente Gebäude und arbeitet im Reform Support Team beim Ministerium für Regionalwesen und Bau, Wohnungs- und Kommunalwirtschaft der Ukraine. Sie hat in den Jahren 2018 und 2019 an Workshops der Dialogplattform in Minsk und Berlin teilgenommen. Die vorgestellten Lösungsansätze konnte sie direkt in den ukrainischen Modernisierungsprozess einbringen. Viele wichtige Schritte seien in der Ukraine in den letzten Jahren gemacht worden, sagt sie: „Das System der Energie-Zertifizierung von Gebäuden wurde eingeführt, ein Markt für Energie-Audits geschaffen und neue, strengere Mindestanforderungen für die Energieeffizienz von Gebäuden verabschiedet.“

Die Dialogplattform wächst

Länderübergreifende Dialogplattform Urbane Energieinfrastruktur

Mit der länderübergreifenden Dialogplattform Urbane Energieinfrastruktur für Osteuropa und Zentralasien fördert die dena die Zusammenarbeit zwischen politischen und wirtschaftlichen Akteuren, um die Transformation der Energiesysteme zu unterstützen. Beteiligt sind die Länder Belarus, Deutschland, Kasachstan, Russland, die Ukraine und Usbekistan. Deutsche Unternehmen werden von der dena bei der Markterschließung in diesen Ländern unterstützt.

Mehr unter www.dena.de/laenderschwerpunkte

Seit Beginn des Jahres 2020 zeigt auch die Republik Aserbaidschan großes Interesse an der Arbeit der länderübergreifenden Plattform und strebt eine Beteiligung an. Mit einer Online-Konferenz im Juni 2020 startete die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Energie der Republik Aserbaidschan und der dena. Aserbaidschan plant Gesetze zur Förderung der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienzsteigerung. Das würde eine Markterschließung auch für ausländische Unternehmen attraktiver machen.

„Ein regulatorischer Rahmen kann die Modernisierung städtischer Energieinfrastrukturen in Aserbaidschan stark beschleunigen, da er Planungssicherheit bringt – sowohl für Kommunen als auch für Unternehmen“, erläutert Nargis Wieck, Leiterin Internationale Kooperation bei der dena.

Die länderübergreifende Dialogplattform „Urbane Energieinfrastruktur“ wächst – mittlerweile beteiligen sich an diesem Netzwerk etwa 300 aktive Akteure. Das Interesse an der Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen und deren Innovationstechnologien ist sehr groß. Unternehmen beziehungsweise Expertinnen und Experten erhalten durch das Netzwerk regelmäßig die Möglichkeit, ihr Know-how und ihre Lösungen für mehr Effizienz in der urbanen Energieinfrastruktur zu präsentieren.

Text: Philipp Rupp, Birgit Wetzel

Header-Bild: shutterstock/Alina Filatova