Gastbeitrag in der China Daily

Green Recovery als Treiber bilateraler Kooperation

Andreas Kuhlmann und Qiu Baoxing, Berater des Staatsrats von China, Vorsitzender der Chinesischen Gesellschaft für Stadtforschung weisen in ihrem Gastbeitrag darauf hin, dass auf den wirtschaftlichen Einbruch ein grüner Neustart folgen muss: Nachhaltige Konjunkturpakete, die inter- und supranationale Kooperationen einbeziehen, bieten die Chance auf weitere Dynamik in der Energiewende.

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Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert. In allen Ländern werden Antworten und Wege gesucht, wie dieser großen Krise am besten begegnet werden kann. So vielfältig die Herausforderungen sind, so vielfältig erweisen sich mitunter auch die Lösungsansätze. Im Kern zeigt sich: Für eine vernetzte Welt, wie sie das heute ist, braucht es vernetzte Ansätze. Auf globale Krisen müssen globale Antworten gefunden werden. Auch wenn diese Krise ein Novum ist – wir fangen dabei nicht bei null an. Es gibt bewährte Formen der internationalen Zusammenarbeit. Auf dem Feld von Energiewende und Klimaschutz zum Beispiel haben China und Deutschland erfolgreiche Arbeit geleistet und viele Jahre lang miteinander kooperiert. Darauf können beide Länder aufbauen.

Corona- und Klimakrise unterscheiden sich, aber sie haben auch Gemeinsamkeiten. Sie machen nicht Halt vor dem Einzelnen und sie sind beide wahrhaft globale Herausforderungen. Der Einzelne kann sie nicht lösen, ein einzelnes Land allein auch nicht. Mit Solidarität und Kooperation kommen wir hier weiter als mit singulären Pfaden und Abgrenzung. In Folge der weltweiten Lockdowns steht uns eine weltweite Rezession historischen Ausmaßes ins Haus. Wir sind der Meinung: Der Weg aus der Krise braucht eine Richtung!

Die Regierungen weltweit sind gefragt, den Wiederaufschwung nach der Coronakrise entlang von Nachhaltigkeitszielen zu gestalten. Die im Jahr 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals bieten hier eine gute Orientierung. Jetzt gilt es, das Momentum zu nutzen und Konjunkturprogramme umfassend auf Zukunftsinvestitionen auszurichten. Mit einer gut aufgestellten „Green Recovery“ könnte die sektorenübergreifende Transformation im Sinne der Integrierten Energiewende in neuer Konsequenz vorangetrieben werden. Die Energiewende benötigt Dynamik. Sie kann einen entscheidenden Beitrag zu einer auf Klimaschutz ausgerichteten Null-Kohlenstoff-Wirtschaft leisten. Sie schafft Jobs und Perspektive. Förderungen überkommener fossiler Wirtschaftsstrukturen dagegen gehen am Ziel vorbei.

Die Zielsetzung muss deshalb hier und jetzt sein, länderübergreifend mit guten Standards und ökonomischen Anreizen die Rahmenbedingungen für ein gutes Leben zu schaffen. In China entwickelt und realisiert die Deutsche Energie-Agentur (dena) seit mehr als 10 Jahren Kooperationsprojekte für energieeffizientes Bauen, nachhaltige Stadtentwicklung, Energieeffizienz in der Industrie, erneuerbare Energien, intelligente Energiesysteme und Luftreinhaltung. Die praxisnahe, vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Center of Science and Technology of Construction (CSTID) oder der Chinese Society for Urban Studies (CSUS) sind ein Beleg dafür, wie Deutschland und China gemeinsam grüne Transformationsprozesse vorantreiben. Es ist eine Kooperation, die von Nachhaltigkeit geprägt ist und mit der gesellschaftlichen Entwicklung in Hinblick auf globalen Klimaschutz gewachsen ist. Aus den ersten Projekten im Bereich energieeffizientes Bauen sind im Laufe der Zeit weitere spannende Themen wie „Deutsch-Chinesische Eco-Cities“ und integrierte Quartiere entstanden. Insbesondere das 2008 begonnene Projekt zum Bau von Effizienzhäusern mit Passivhaustechnologien hat enorme Ergebnisse erzielt und ist heute in China weit verbreitet. Diese Erfolge in der Zusammenarbeit und das zwischen China und Deutschland aufgebaute gegenseitige Vertrauen sind eine gute Grundlage für die weitere Stärkung der Zusammenarbeit beider Länder im Bereich des Klimaschutzes.

Gute Ansätze gibt es in beiden Ländern. Die aktuellen Diskussionen drehen sich um Plus-Energie-Häuser und Quartiersanierung und die Zukunft der Städte. Auch innovative Verfahren wie die „serielle Sanierung“ von Wohngebäuden können in beiden Ländern aufgebaut und vorangetrieben werden.

Energiewende und Klimaschutz bieten die vielfältigsten Ansätze für zukünftige Kooperationen im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaft. Themen wie Digitalisierung und Erforschung neuer anwendungsorientierter Technologien wie Wasserstoff immer wichtiger. Beide Länder sind in den Feldern aktiv und können gegenseitig unterstützen. Grüne Finanzierungen spielen international eine zunehmende Rolle als Hebel für mehr Klimaschutz – China und die EU sind hier Vorreiter und müssen in Detailfragen, wie der Erstellung von Taxonomien, im Gespräch bleiben. 

Insbesondere ist zu beachten, dass Investitionen in den Klimaschutz nicht nur eine Investition in die Zukunft sind, sondern auch eine Investition in die Lösung vieler drängender Probleme der Gegenwart. Beispielsweise könnte die energetische Nachrüstung einer großen Zahl bestehender Gebäude sofort Tausende von Arbeitsplätzen schaffen und das Problem der Luftverschmutzung, das durch die Nutzung fossiler Brennstoffe zum Heizen verursacht wird, im Wesentlichen lösen.

Nutzen wir also die Krise als Möglichkeit für mehr Kooperation, nicht weniger. Zur zukunftsfähigen Umgestaltung unserer Wirtschaft und für gemeinsame fundamentale Innovations- und Modernisierungsprozesse, um die gerade auftretende Rezession zu überwinden und gleichzeitig Umwelt und Klima zu entlasten. Mit internationalen Abkommen haben wir uns die Ziele bereits gesetzt. Viele Möglichkeiten haben wir in der Hand, andere können wir entwickeln. Sicher ist: Über Kooperation miteinander können wir eine Menge anschieben.

Die Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.

Originalbeitrag: "More dynamism for energy transition"