Kommentar von dena-Chef Andreas Kuhlmann

Energiewende und Klimaschutz finden Stadt

„Städte können die Energiewende entscheidend voranbringen. Um diese Chance zu nutzen, braucht es einen strategischen Orientierungsrahmen. Deshalb hat die dena das Projekt Urbane Energiewende gestartet." Ein Kommentar von dena-Chef Andreas Kuhlmann.

dena-Chef Andreas Kuhlmann

Urbane Zentren sollen in die Energiewende einbezogen werden. Diesen Vorschlag haben die Länder Berlin und Thüringen kürzlich in den Bundesrat eingebracht. Eine gute Idee, denn Städte sind nicht nur verantwortlich für einen großen Teil des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen, sie sind auch Testlabore für integrierte Lösungen und damit Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende.

Die Bundesratsinitiative zielt insbesondere darauf ab, Solaranlagen auf Dächern auszubauen, die Bedingungen für Mieterstrom zu verbessern und überschüssigen Strom für die Wärmegewinnung zu nutzen. Das sind gute Ansätze, aber in Städten steckt noch mehr Potenzial. Wir sollten Städte als Orte denken, wo Menschen leben und vielfältigste Dinge zusammenkommen, die Auswirkungen auf Energiewende und Klimaschutz haben, mit vielfältigsten Wechselwirkungen im Energiesystem. Dann können innovative Projekte in urbanen Zentren gemeinsam eine Wirkung entfalten, die Energiewende und Klimaschutz entscheidend voranbringen.

Integrierte Lösungen

Die urbane Energiewende überträgt den ganzheitlichen Ansatz der integrierten Energiewende auf das Energiesystem Stadt. Integrierte Energiewende bedeutet, dass die verschiedenen technischen Anlagen, Infrastrukturen und Märkte aus den unterschiedlichen Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr aufeinander abgestimmt und in ein optimiertes, intelligentes System überführt werden. Die Sektoren haben sich lange separat entwickelt, mit eigenen rechtlichen Rahmenbedingungen, Geschäftsmodellen und Kundenanforderungen. Doch die Sektoren, wie wir sie kennen, verändern sich. Grenzen weichen auf, die Interaktion steigt, neue Verbindungen werden möglich.

Die Herausforderungen der integrierten Energiewende konzentrieren sich in Städten auf engem Raum. Wie werden die Infrastrukturen für Strom, Wärme und Gas, für Wohnen, Arbeiten, Mobilität und Freizeit weiterentwickelt? Wie kann der Anteil an erneuerbaren Energien in allen Bereichen erhöht werden? Wie lassen sich zum Beispiel Wärmespeicher, Elektrofahrzeuge oder elektrische Anlagen in Haushalten und Unternehmen als Puffer für das Stromnetz nutzen? Wie erleichtert die Digitalisierung das Zusammenspiel der vielen verschiedenen dezentralen Teile im Energiesystem? Und wie kann im Zuge dieses Wandels auch die Lebensqualität in Städten erhöht werden? Städte sind deshalb genau der richtige Ort, um integrierte Lösungen für Energiewende und Klimaschutz zu entwickeln.

dena-Projekt erarbeitet Orientierungsrahmen

Ein Blick in aktuelle Studien zeigt, dass ein großer Teil der deutschen Kommunen das Thema Klimaschutz im Tagesgeschäft bisher nur bedingt angeht. Zudem erschwert die hohe Diversität der Ausgangsbedingungen die Entwicklung von übergreifenden Strategien und Geschäftsmodellen. Gleichzeitig stehen Kommunen neuen Technologien offen gegenüber und innovative Projekte entstehen an vielen Orten, insbesondere auf Quartiersebene. Um mit dem komplexen Thema umgehen zu können, benötigen alle Akteure einen praktikablen und verlässlichen Handlungsrahmen.
Deshalb hat die dena das Projekt „Urbane Energiewende: Integrierte Strategien & Lösungen“ gestartet. Gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus der Wirtschaft erarbeitet die dena Empfehlungen für einen strategischen und politischen Orientierungsrahmen. Mit an Bord sind Stadtwerke und Energieversorger, Technologieanbieter und IT-Dienstleister, Wohnungsgesellschaften und Mobilitätsanbieter sowie Logistik- und Handelsunternehmen. Im Fokus stehen Herausforderungen wie die Suche nach geeigneten Technologien und Geschäftsmodellen, die zunehmende Digitalisierung sowie die Weiterentwicklung von Infrastrukturen.

Internationaler Zukunftsmarkt

Die internationale Tragweite des Themas ist kaum zu überschätzen. Schon heute leben mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten, bis zum Jahr 2050 sollen es sieben von zehn sein. Ein eindrückliches Beispiel ist China. Hier geht die Regierung davon aus, dass bis 2020 bereits 60 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen, rund 800 Millionen Menschen. Das Interesse der Regierung ist groß, die Urbanisierung in nachhaltige Bahnen zu lenken: kompakt, intelligent, grün, emissionsarm. Entsprechendes Know-how ist sehr gefragt. Die dena arbeitet bereits eng mit der „Chinese Society for Urban Studies (CSUS)“ zusammen, dem Thinktank des chinesischen Staatsrats und Bauministeriums, und begleitet die Entwicklung von ausgewählten Eco-Cities in China. Neben der Reduzierung der Emissionen geht es dabei auch um nachhaltiges Stadtmanagement und Märkte für energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen.

Städte sind also nicht nur ein Schlüssel für Energiewende und Klimaschutz, sie sind auch ein weltweiter Zukunftsmarkt für innovative Unternehmen. Deutschland hat als Wegbereiter der Energiewende und vielfältiger Industriestandort hervorragende Voraussetzungen, hier einen wichtigen Beitrag zu leisten. Doch dazu gehört, dass wir in Deutschland die urbane Energiewende entschlossen voranbringen. Dass wir zeigen, wie sich die Potenziale für lebenswerte Städte, Energiewende, Klimaschutz und Innovation erschließen lassen. Auch das gehört zu den Zielen des dena-Projekts Urbane Energiewende.

Unternehmen, die sich noch daran beteiligen möchten, sind herzlich willkommen. Auch auf dem dena Energiewende-Kongress am 26. und 27. November 2018 in Berlin wird die urbane Energiewende ein Themenschwerpunkt sein.