Wer bei Nacht mit dem Auto die Landesgrenze von Bremerhaven gen Norden nach Niedersachsen überquert, traut seinen Augen kaum: Tauchten eben noch die gewohnten Natriumdampfstraßenlampen die Szenerie in das gewohnt milchige, immer leicht neblig wirkende Orange, erscheint nun plötzlich alles farbenfroh und irgendwie echt. Vorbeifahrende Autos, zuvor nur in mattem Hell- oder Dunkelbraun, leuchten jetzt bunt, ebenso die Bekleidung der Passanten auf dem Bürgersteig, egal, wo man sich in der Stadt aufhält. Willkommen in Geestland!








Stromverbrauch der Straßenleuchten um 70 Prozent reduziert
„Wir haben inzwischen alle knapp 4.800 Straßenleuchten in Geestland auf LED umgerüstet“, erklärt Ludwig Augenthaler. Als verantwortlicher Bautechniker für den Straßenbereich ist er in seiner Kommune auch für die Straßenbeleuchtung zuständig. „Alle Leuchtmittel haben ein einheitliches Neutralweiß von 4.000 Kelvin.“ Der gebürtige Niederbayer lebt bereits seit rund zwei Jahrzehnten im Norden Niedersachsens. „In Deutschland und Europa sind wir die allerersten, die komplett auf die neue Technologie umgerüstet haben“, ergänzt er stolz. Schnell merkt man ihm an, dass ihm der nachhaltige Umgang mit Energie und der Schutz des Klimas echte Anliegen sind.
Altes und neues Licht im Vergleich


Bei einem Spaziergang durch die Stadt deutet der Licht-Fachmann auf verschiedene Leuchtenmodelle, beschreibt ihre Vorzüge und verweist immer wieder auf die enormen Einsparpotenziale. Von diesen berichtete er im September 2015 auch als Referent bei der dena-Roadshow Straßenbeleuchtung in Hamburg. Dort erstaunte er mit seinen Berechnungen nicht nur manchen Kollegen aus der Technik, sondern auch die teilnehmenden Entscheider aus den Kommunen. Seine damals kalkulierten 60 Prozent konnte er inzwischen sogar noch nach oben korrigieren: Auf etwa 70 Prozent, so berichtet Augenthaler, hat Geestland den Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung reduziert.
Der gesenkte Strombedarf schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das eigene Stadtsäckel. Denn statt der jährlichen 1,2 Millionen kWh, die die Stadt mit alten Leuchtmitteln an Stromverbrauch zu verzeichnen hätte, fallen jetzt weniger als 400.000 kWh an. Gut für den kommunalen Haushalt – und für neue Investitionen, etwa in die Bildung oder im sozialen Bereich.
Ineffiziente Beleuchtung in einem Drittel der deutschen Kommunen
Laut einer Befragung im Auftrag der dena unter knapp 1.000 Kommunen hat sich die Anzahl der Städte und Gemeinden mit einem hohen Bestand an Quecksilberdampf-Hochdrucklampen seit 2012 zwar halbiert, was hauptsächlich auf das EU-weite Verbot zur weiteren Herstellung nach 2015 zurückzuführen ist. Dennoch nutzen immer noch rund 30 Prozent der Städte und Gemeinden mittlere bis hohe Altbestände dieser ineffizienten Leuchten. Genau hier setzt die dena mit der Roadshow an: Sie soll weitere Kommunen von den effizienten Alternativen überzeugen.
„Geestland zeigt, was möglich ist.“
„Beispiele wie Geestland zeigen, was möglich ist“, bestätigt Dr. Karsten Lindloff, Projektleiter und mitverantwortlich für die Roadshow zur LED-Straßenbeleuchtung, die die dena Ende 2013 im Rahmen der Initiative EnergieEffizienz startete. Mit einer integrierten Kampagne, engagierten Partnern und Informationen für alle 11.000 Kommunen in Deutschland informiert die dena seitdem über den Wechsel von den alten Stromschluckern zur zukunftsfähigen – und inzwischen immer preisgünstigeren – LED. „Wir wollen überzeugen. Aber vor allem möchten wir Vertrauen in die neue Technologie schaffen und herstellerunabhängig auf Chancen und Potenziale hinweisen“, erklärt Karsten Lindloff.
Mittlerweile hat die Veranstaltungsreihe rund 1.700 Teilnehmer erreicht und ist auf ihrem Gebiet konkurrenzlos. In 15 Städten, quer über das Bundesgebiet verteilt, erwartet die Besucher ein umfangreiches Vortragsprogramm mit Referenten und Best-Practice-Beispielen wie das aus Geestland. Zudem findet begleitend eine Ausstellung mit der neusten Beleuchtungstechnologie von rund einem Dutzend Herstellern statt. Darüber hinaus helfen Expertendialoge dem Fachpublikum dabei, mehr über den konkreten Start einer Modernisierung zu erfahren und ebenso über Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten aufzuklären, etwa durch die Angebote der KfW-Bankengruppe oder den Projektträger Jülich. Letzterer fördert im Rahmen der Klimaschutzinitiative des BMUB Investitionen zur Straßenbeleuchtung.
„Viele Entscheider haben Angst, Fehler zu machen und dafür gleich zur Verantwortung gezogen zu werden.“
Investieren macht sich bezahlt
Insbesondere die Finanzierungsfrage bewegt nach wie vor viele kommunale Entscheider. Sie befürchten, weder über ausreichende Mittel noch über das notwendige Personal zu verfügen, um die Modernisierungsmaßnahmen schnell auf den Weg zu bringen. Doch auch hier kann Geestland den Weg weisen: 2005 schrieb die Gemeinde noch rote Zahlen, dann wurde Thorsten Krüger Bürgermeister. Der Politiker erkannte früh die Möglichkeiten der neuen Leuchtmittelgeneration für seine Stadt – in einer Zeit, als erst wenige an die LED als zukunftsfähige Technologie glaubten. „Viele Entscheider haben Angst, Fehler zu machen und dafür gleich zur Verantwortung gezogen zu werden“, versucht Thorsten Krüger das Zögern mancher Kollegen zu erklären. „Dabei lohnen sich Investitionen hier wirklich.“
Nachdem Geestland bei dem Wettbewerb „Kommunen im neuen Licht“ des Bundesforschungsministeriums eine umfassende LED-Förderung knapp verpasst hatte, nahm Bürgermeister Krüger gemeinsam mit Lichtplaner Augenthaler und der engagierten Gemeinde die Sache selbst in die Hand. Sie fanden einen direkten Ansprechpartner bei der KfW, der der Kommune eine schnelle Finanzierung der Modernisierung ermöglichte und – im Gegensatz zur Mehrzahl der Energieversorger – an die ehrgeizigen Pläne der Geestländer glaubte.
Völlig zu Recht: Die Investitionen von rund drei Millionen Euro mit einem Eigenanteil von 90 Prozent werden sich auch dank der hohen jährlichen Einsparungen bereits in weniger als sieben Jahren amortisiert haben.
Reduzierte Wartungskosten und intelligente Steuertechnik
Weitere Vorteile, von denen alle Kommunen profitieren, die sich zur Umrüstung entschließen, sind neben der besseren Beleuchtungsqualität die reduzierten Wartungskosten. „Bei einer Einsatzdauer von bis zu 100.000 Stunden können wir inzwischen von einer Haltbarkeit von 20 Jahren ausgehen“, erklärt Karsten Lindloff von der dena. „Es gibt zudem weniger Streuverluste. Die Lichtverschmutzung wird reduziert und LED-Licht wirkt auf Insekten weniger anziehend als etwa klassisches Neonlicht.“
Einen zusätzlichen Pluspunkt hat auch Ludwig Augenthaler in Geestland erkannt: LEDs sind, anders als alle herkömmlichen Gasentladungslampen, steuerbar. Sie lassen sich stufenlos reduzieren, etwa in der Nacht, in ländlichen Gebieten oder in selten genutzten Straßenabschnitten. Wieder könnte die niedersächsische Kommune, die schon mehrfach ausgezeichnet wurde, überdies einen eigenen Energiepark plant und gerade das dena-Energie- und Klimaschutzmanagement einführt, zum Vorreiter werden: „Wir haben bereits drei Pilotprojekte erfolgreich durchgeführt und Steuerungselektronik installiert“, erzählt der Beleuchtungstechniker und ist überzeugt: „Verglichen mit dem Verbrauch vor der Umrüstung, kommen wir mit LEDs plus Steuerung auf eine Gesamteinsparung von rund 80 Prozent.“
Damit könnte die niedersächsische Kommune wieder zum guten Beispiel für andere Städte und Gemeinden werden. Die geplante Neuauflage der dena-Roadshow hilft den Entscheidern, nicht nur solche Best-Practice-Beispiele aus nächster Nähe kennenzulernen, sondern auch mit Anbietern von Leuchten und Beleuchtungssteuerung ins Gespräch zu kommen.