Delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission veröffentlicht: Kompromiss für grünen Wasserstoff gefunden

Berlin, 14. Februar 2023. Mit über einem Jahr Verspätung hat die Europäische Kommission am vergangenen Freitag die finalen Vorschläge ihrer delegierten Rechtsakte zur Definition von grünem Wasserstoff und dessen Derivaten, den sogenannten Renewable Fuels of Non-Biological Origin (RFBNOs), vorgelegt. Die ersten Entwürfe der Rechtsakte wurden bereits im Mai 2022 veröffentlicht und zur Konsultation freigegeben, an der sich auch die Deutsche Energie-Agentur (dena) beteiligte.

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, sagt: „Dass die Europäische Kommission die in der REDII gesetzte Frist zur Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte um über ein Jahr verpasst hat, hat zu erheblicher Investitionsunsicherheit geführt, den Wasserstoffhochlauf ausgebremst und die europäische Technologieführerschaft gefährdet. Obwohl die nun vorgesehenen Regelungen weiterhin deutlich komplexer sind als von vielen Marktteilnehmern erhofft, wird mit dieser Entscheidung immerhin der bisherige Stillstand zu den Kriterien für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff aufgelöst. Die Rechtsakte sollten jetzt ohne weitere Verzögerungen zeitnah in Kraft treten, damit Unternehmen in diesen Fragen regulatorische Klarheit erhalten, um Investitionen zu tätigen und Projekte realisieren zu können. Um das zu ermöglichen, ist entscheidend, dass das Europäische Parlament und der Rat den vorliegenden Kompromissvorschlag der Europäischen Kommission unterstützen und davon absehen, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen.“

Zuletzt hatten international die Entwicklung von Marktanreizsystemen und Förderrahmen für Wasserstoff deutlich an Fahrt aufgenommen, während die europäische Dynamik durch die innereuropäische Uneinigkeit bezüglich des Umgangs mit kohlenstoffarmen Wasserstoff ins Stocken geraten ist. Mit dem überarbeiteten Rechtsakt gelten nun insbesondere in einer Übergangszeit deutlich vereinfachte Kriterien, um nachzuweisen, dass erneuerbarer Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff verwendet wird. Beispielsweise müssen sogenannte „First Movers“ erst ab 2038 darlegen, dass der Strombezug für ihre Wasserstoffproduktion mit dem Aufbau entsprechender zusätzlicher Kapazitäten erneuerbarer Energien einhergeht. Darüber hinaus entfällt die Verpflichtung, zusätzliche erneuerbare Kapazitäten aufzubauen, vollständig, wenn die THG-Intensität des Netzstroms in der entsprechenden Gebotszone während eines Kalenderjahres weniger als 18 gCO2eq/MJ beträgt. Das ist insbesondere für Länder mit hohen Anteilen von Atomstrom im Netz, wie beispielsweise Frankreich, vorteilhaft. Ziel des Kriteriums der Zusätzlichkeit war ursprünglich, die Elektrolyseurbetreiber beim beschleunigten Ausbau der für die H2-Produktion benötigten erneuerbaren Stromkapazitäten mit in die Pflicht zu nehmen und die Systemkosten gering zu halten. Dies ist mit der aktuellen Regelung nicht mehr gegeben. „Hier wurde eine klare Abwägungsentscheidung zugunsten eines beschleunigten Markthochlaufs und zulasten des benötigten Anreizes zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien getroffen. Die neue Regelung birgt außerdem die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten“, so Kuhlmann. „Wir fordern die Europäische Kommission daher dazu auf, die Auswirkungen dieser Regelung auf die Marktentwicklung und den Ausbau Erneuerbarer Energien in den einzelnen Mitgliedsstaaten im für 2028 vorgesehenen Review-Prozess zu untersuchen und falls nötig die Kriterien nachzubessern.“

„Der delegierte Rechtsakt alleine reicht aber nicht aus, um attraktive Rahmenbedingungen für die Standortwahl von Wasserstoffunternehmen zu schaffen.“ Aktuell werden verschiedene Gesetzesvorschläge des „Fit for 55“-Pakets im Trilog zwischen den europäischen Institutionen verhandelt, beispielsweise die Revision der REDII und das H2- und Gasmarktpaket. „Auch hier ist angesichts der aktuellen Energiekrise Schnelligkeit und Pragmatismus gefragt. Der im Delegierten Rechtsakt gefundene Kompromiss sollte jetzt als Leitlinie für die schnelle Finalisierung der anderen Wasserstoffdossiers fungieren. Das bedeutet, dass nur RFNBOs im Sinne des vorliegenden Rechtsaktes auf die Erneuerbaren Energien Ziele und Wasserstoffquoten, z.B. in der REDIII, ReFuel Aviation EU und FuelEU Maritime, anrechenbar sind.

Neben der Definition der Strombezugskriterien hat die Europäische Kommission in einem zweiten Rechtsakt die Methodik zur Berechnung der Treibhausgas-Emissionseinsparungen durch RFNBOs festgelegt. Wichtige Bestandteile sind die Festlegung eines fossilen Referenzwertes und die Definition von zulässigen CO2-Quellen für die Produktion von kohlenstoffbasierten Wasserstoff-Derivaten wie z.B. e-Methanol oder e-Kerosin. „Langfristig muss CO2, das für die Herstellung dieser Produkte als Rohstoff verwendet wird, vollständig aus nachhaltigen Quellen stammen. Daher ist es zu begrüßen, dass die Kommission die Nutzung von CO2 aus fossilen Punktquellen nur in einem Übergangszeitraum zulässt. Ein früherer Phase-Out als 2035 wäre aber wünschenswert gewesen“, so Kuhlmann.

In anderen Märkten, wie den USA, ist eine Förderung von Wasserstoff abhängig von der erreichten Treibhausgas-Reduktion gesetzlich verankert. Allerdings steht die Spezifizierung der Berechnungsmethode für den Nachweis der erreichten Treibhausgaseinsparungen aus. „Die EU sollte sich nun dafür einsetzen, die in dem delegierten Rechtsakt festgelegten Regeln schnell zum internationalen Standard zu machen“, so Kuhlmann abschließend.