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Gemeinsam für weniger

10.02.2020 - Erfahrungen austauschen, voneinander lernen und auch über Fehler sprechen: Energieeffizienz-Netzwerke geben Unternehmen entscheidende Impulse. Die Praxis zeigt, dass die Teilnehmer ihre Energiesparziele häufig übertreffen.

Netzwerk-Treffen bei der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie in Hanau mit Moderator Carsten Ernst (links). Foto: Carsten Ernst (dena-Magazin transition 20)

Die Herstellung von Wärmetauscherrohren ist ein energieintensiver Prozess. Bei der Firma MPG in Menden werden diese Rohre nahtlos in verschiedenen Kupfer-Legierungen gegossen. Mehr als zwanzig Prozent der Bruttowertschöpfung machen die Energiekosten beim europäischen Marktführer aus dem Sauerland aus. Kein Wunder also, dass das Unternehmen seit langem alle Register zieht, um seinen Energiebedarf zu senken. Daher beteiligt sich MPG auch am südwestfälischen SIHK-Netzwerk für Energie- und Ressourceneffizienz. Zehn regionale Unternehmen unterschiedlicher Branchen tauschen hier unter Anleitung eines Moderators Ideen aus, diskutieren Lösungsansätze und stellen ihre Effizienzprojekte vor.

„Anfangs war ich skeptisch, ob wir bei diesem Thema von einem solchen Netzwerk überhaupt profitieren können“, sagt MPG-Geschäftsführer Andreas Gahl. Die Zweifel verflogen jedoch schnell: „Es gab nicht ein Treffen, aus dem wir nicht mindestens eine wertvolle Idee mitgenommen haben“, berichtet er. So konnten Gahl und seine Mitarbeiter etwa den Energiebedarf für die Druckluft-Versorgung deutlich senken. „Im Netzwerk gibt es ein Unternehmen, das vor einer ähnlichen Aufgabe stand. Wir konnten deren Konzept zwar nicht eins zu eins übernehmen, uns aber an der Idee orientieren und eine eigene Lösung entwickeln“, erklärt er.

Austausch auf Augenhöhe

Über 250 solcher Zusammenschlüsse zählt die Initiative Energieeffizienz-Netzwerke (IEEN) inzwischen, der Start war im Dezember 2014. In einem Netzwerk schließen sich in der Regel acht bis zwölf Unternehmen zusammen, die sich etwa einmal im Quartal treffen und dies über mehrere Jahre hinweg. Viele Netzwerke sind regional organisiert, andere branchenspezifisch ausgerichtet. „Da sind gestandene Energieexperten versammelt, mit viel Wissen und Erfahrung. Entsprechend hoch ist das fachliche Niveau der Diskussionen“, lobt Carsten Ernst, Moderator und energietechnischer Berater von Netzwerken, die das Beratungsunternehmen Ökotec betreut. Lutz Lohmann vom Energieversorger EnBW, ebenfalls Moderator eines Netzwerks, kann das bestätigen. „Der Erfahrungsaustausch ist äußerst fruchtbar – nicht zuletzt, weil die Experten auch über Maßnahmen sprechen, die nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht haben. Erfolgsgeschichten bekommen sie von Vertrieblern ja zuhauf präsentiert.“

Die teilnehmenden Unternehmen erhalten in der Regel zunächst eine qualifizierte Energieberatung, auf deren Basis sie sich individuelle Einsparziele setzen. Daraus leiten sie dann alle gemeinsam ein Ziel für ihr Netzwerk ab. Häufig werden die Erwartungen dabei übertroffen, denn in der Praxis lässt sich oft mehr umsetzen als gedacht: Dem Monitoring der Initiative Energieeffizienz-Netzwerke zufolge liegen die tatsächlichen Einsparungen durchschnittlich acht Prozent über den Zielmarken. Eine Umfrage der dena unter den Netzwerken zeigt, dass die meisten Unternehmen bei der Wärmeerzeugung, der Abwärmenutzung, bei Pumpen oder der Beleuchtung ansetzen, um ihre Energieeffizienz zu verbessern.

Besichtigung eines Blockheizkraftwerks im Hamburger Mercedes-Benz-Werk mit Netzwerkmoderator Mario Spitzmüller (rechts). Foto: Industrieverband Hamburg IVH (dena-Magazin transition 20)

Mehr Klimaschutz, mehr Wettbewerbsfähigkeit

Energieeffizienz-Netzwerke sind ein zentraler Baustein in der Energiewendestrategie der Bundesregierung. „Wenige andere neuere Instrumente haben eine so große Bedeutung, um die Energieeffizienzziele zu erreichen. Insgesamt 75 Petajoule Energie sollen die Netzwerke ab 2020 jährlich einsparen. So steht es im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE). Das entspricht dem Energieverbrauch von 1,35 Millionen Privathaushalten in Deutschland“, erklärt Steffen Joest von der dena, die mit finanzieller Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums die Geschäftsstelle der Initiative Energieeffizienz-Netzwerke leitet. Bereits jetzt lässt sich sagen: Die Einsparziele werden erreicht, und dies mit weniger Netzwerken, die viel mehr Energie sparen: Rechnete man zu Beginn des Projekts noch damit, dass zur Erreichung der Einsparziele etwa 500 Netzwerke nötig sind, zeigt sich jetzt: Die Ziele könnten mit rund der Hälfte erreicht werden. Einer der Gründe: Durch die Ausweitung des Trägerkreises der IEEN auf die gesamte Wirtschaft wurden offenbar auch viele energieintensive Unternehmen mit hohen Einsparpotenzialen eingebunden.

Die Netzwerke fördern derweil nicht nur die Energieeffizienz und den Klimaschutz, sondern verbessern – quasi als willkommener Nebeneffekt – die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. „Im weltweiten Vergleich sind die Energiekosten in Deutschland sehr hoch. Wer auf den globalen Märkten bestehen will, muss daher äußerst energieeffizient wirtschaften“, sagt Mario Spitzmüller vom IVH Industrieverband Hamburg, der derzeit drei Netzwerke moderiert. Mit ihrer Zusammenarbeit stärken die Unternehmen also nicht nur ihre eigene Marktposition, sondern zugleich den Produktionsstandort Deutschland.

Geschäftsstelle der Initiative Energieeffizienz-Netzwerke

Informieren, Koordinieren, Unterstützen – das sind die Aufgaben der Geschäftsstelle Initiative Energieeffizienz-Netzwerke (IEEN), die die dena seit Ende 2015 leitet. Die dena-Experten stehen der Bundesregierung und den 22 Partnerverbänden in fachlichen und organisatorischen Fragen zur Seite. Sie veranstalten Tagungen und Workshops, erstellen Informationsmaterialien und fungieren als Ansprechpartner für interessierte Unternehmen und alle Netzwerke.

Mehr unter: www.effizienznetzwerke.org

Blick in die Praxis

Ein Erfolgsrezept der Netzwerke ist ihre große Praxisnähe. So finden die Treffen meist in den beteiligten Unternehmen statt. Diesen Blick in die Praxis schätzt Carsten Pöttker sehr. Der Leiter des Hamburger Werks von Ingredion, einem Hersteller von Stärkeprodukten für die Lebensmittelindustrie, beteiligt sich gleich an zwei Netzwerken des IVH. „In unseren Prozessen benötigen wir viel Wärme für die Trocknung. Bei den Betriebsbesichtigungen konnten wir uns ein Bild von den Lösungen anderer Unternehmen machen“, berichtet der Werksleiter. Als Ergebnis nutzt Ingredion heute auch die Abwärme aus der Trocknungsanlage. „Damit reduzieren wir unseren Wärmebedarf um ein Viertel“, betont Pöttker.

dena-Arbeitsgebietsleiter Steffen Joest nennt einen zweiten Erfolgsfaktor: den sehr offenen Austausch über interne Probleme und Lösungsansätze. „Die durchweg guten Erfahrungen zeigen, dass sich diese Offenheit für die Unternehmen absolut auszahlt“, sagt Joest.