Statement von dena-Geschäftsführer Andreas Kuhlmann

Energiewende integriert denken – in Deutschland und Europa

dena-Chef Andreas Kuhlmann zu den neuen Zielen für die Energieunion und den Herausforderungen im Energiewendedialog

Die EU hat Ende Juni wichtige Entscheidungen für die Energieunion getroffen. Die Europäische Kommission, der Europäische Rat und das EU-Parlament haben sich informell darauf geeinigt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Brutto-Endenergieverbrauch bis 2030 auf mindestens 32 Prozent zu erhöhen und die Energieeffizienz bis 2030 um 32,5 Prozent zu steigern. Außerdem wurde mit der Governance-Verordnung ein Kompromiss für die Umsetzung der Energie- und Klimapolitik gefunden. Dazu sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena):

„Es ist ein gutes Zeichen, dass die EU sich auf ambitioniertere Ziele bis 2030 geeinigt hat. Das schafft europaweit Planungssicherheit und setzt Anreize für Politik und Wirtschaft. Alle Mitgliedstaaten stehen jetzt vor der Aufgabe, nationale Energie- und Klimaschutzpläne zu erarbeiten, mit denen sie das Erreichen der Ziele gewährleisten können. Ein erster Entwurf soll bereits Ende dieses Jahres vorliegen. Gleichzeitig ruft die Europäische Kommission dazu auf, bei der Erarbeitung der Pläne Wirtschaft und Gesellschaft mit einzubeziehen. Das ist ein wichtiger Ansatz. Die Energiewende wird als gesamtgesellschaftliches Fortschrittsprojekt nur gelingen, wenn sie ,von unten‘ getragen und angetrieben wird.

Deutschland kann den Dialog über das Erreichen der europäischen Ziele mit den Vorhaben verbinden, die die Bundesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag definiert hat: die Lücke zum Erreichen des Klimaziels 2020 ,so schnell wie möglich‘ schließen, das Minderungsziel von 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030 ,auf jeden Fall‘ erreichen und mit einem Gesetz eine rechtlich verbindliche Grundlage für das Erreichen der Ziele schaffen.

Ein erster Baustein auf dem Weg zu solch einem Klimaschutzgesetz 2030 ist die kürzlich einberufene Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Hinzu kommen die Kommissionen für die Sektoren Bau und Verkehr, die ebenfalls rasch ihre Arbeit aufnehmen sollten. Denn es geht um mehr als das Ende der Kohleförderung und -verstromung, auch wenn das in der allgemeinen Debatte noch nicht deutlich wird. Es geht um die langfristige Perspektive für die Energiewende in Deutschland und Europa, mit Blick auf das Jahr 2030 und darüber hinaus auf das Jahr 2050.

Eine wichtige Orientierung für die Debatte bietet die dena-Leitstudie Integrierte Energiewende. Sie beschreibt verschiedene Transformationspfade, mit denen sich der Klimazielkorridor von 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2050 erreichen lässt. Wesentliche Größen für das Etappenziel 2030 sind demnach: Halbierung der Kohlekapazitäten, Verdopplung der Kapazitäten für erneuerbare Energien und Gas, Erweiterung der Ausbaukorridore für Windenergie an Land und Photovoltaik, schnellere Steigerung der Energieeffizienz, Aufbau von Kapazitäten für die Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff.

Schließlich brauchen wir bereits in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung für eine präzises Klimaziel 2050. Denn ob wir eher 80 oder 95 Prozent weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 erreichen wollen, hat großen Einfluss darauf, wie die Energiewelt im Jahr 2030 aussieht und wie wir jetzt die politischen Rahmenbedingungen dafür gestalten müssen. Klar ist: Mit den aktuellen Rahmenbedingungen sind die Ziele nicht zu schaffen. Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen kommt nicht voran. 2017 lagen die Emissionen mit 905 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten immer noch leicht über dem Niveau von 2014. Dabei müsste Deutschland seit 2015 jährlich mindestens 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen, um die Emissionen bis 2030 wie geplant um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

Bei der Gestaltung neuer Rahmenbedingungen kommt es darauf an, einen Blick für die Energiewende als Ganzes zu entwickeln, die verschiedenen Technologien, Infrastrukturen und Märkte des Energiesystems miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen. Einen solchen integrierten Ansatz haben wir in der dena-Leitstudie verfolgt. In der Politik brauchen wir entsprechende Ansätze, die Lösungen über die Grenzen einzelner Technologien und Sektoren hinweg möglich machen. Mit neuem, integriertem Denken können wir im anstehenden Dialog zur Entwicklung des Nationalen Energie- und Klimaschutzplans und des Klimaschutzgesetzes mehr erreichen – für Deutschland, für Europa und letztendlich für alle Länder, die den globalen Klimaschutz als Chance nutzen wollen. Wir bei der dena freuen uns darauf, diesen Dialog in den kommenden Monaten zu unterstützen.“

Zur dena-Leitstudie Integrierte Energiewende

Die dena-Leitstudie Integrierte Energiewende ist ein Projekt der dena in Zusammenarbeit mit über 60 Partnern aus der Wirtschaft, darunter Energieversorger, Netzbetreiber, Beratungsunternehmen, Industrieunternehmen aller Branchen sowie Wirtschaftsverbände. Die Studienpartner haben gemeinsam die Studienszenarien definiert, Entwicklungsmöglichkeiten der Sektoren Energieerzeugung und -verteilung, Gebäude, Industrie und Mobilität erarbeitet und gegenseitige Abhängigkeiten untersucht. Wissenschaftliche Gutachter modellierten die Szenarien. Die Ergebnisse wurden am 4. Juni in Berlin öffentlich vorgestellt.

Die dena-Leitstudie Integrierte Energiewende mit den Schlussfolgerungen der dena und dem Bericht der Gutachter ist online verfügbar.