Sondierungsergebnisse bei Klima und Energie

„Die Energiewende ist ein europäisches Fortschrittsprojekt“

In einem Interview mit der französischen Presse-Agentur AEF spricht dena-Geschäftsführer Andreas Kuhlmann über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche bei den Themen Klima und Energie und spricht sich für eine stärkere CO2-Bepreisung aus. In diesem und vielen anderen Punkten sei eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich wichtig.

Wie schätzen Sie die Ergebnisse der Sondierungsverhandlungen bei den Themen Klima und Energie ein?

Das Sondierungspapier ist nur der Auftakt zu weiteren Koalitionsverhandlungen. Viele Themen fehlen noch. Aber es ist gut, dass das CO2-Ziel für 2030 nun auf jeden Fall erreicht werden soll. Immerhin 55 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990! Und dass erneuerbare Energien im Jahr 2030 schon 65 Prozent der Stromproduktion ausmachen sollen – also noch schneller ausgebaut werden sollen, als bislang geplant – ist ebenfalls ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Diese Ziele werden wir nur erreichen, wenn wir mutig und engagiert voran schreiten. Es bedeutet, dass die CO2-Emissionen ab jetzt jedes Jahr doppelt so stark sinken müssen wie in den Jahren seit 1990. Alles andere als einfach. Aber gut und vor allem auch wichtig.

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Foto: Deutsche Energie-Agentur (dena)/Daniel Hofer

Wie steht es mit den Maßnahmen im Verkehrssektor, dem Sektor mit dem größten Anteil an Deutschlands CO2-Emissionen?

Auch der Verkehr muss seinen Beitrag leisten zu dem CO2-Ziel, sonst wird es nicht gelingen. Bislang hat das nicht geklappt und das Sondierungspapier beschreibt auch noch nicht, wie es gehen soll. Aber die deutsche Autoindustrie ist in Bewegung. Eine Kommission wird klären, welche Schritte nun umgesetzt werden müssen. Beim Pkw mache ich mir weniger Sorgen über die Zahl der Zulassungen der Elektromobile, eher über die dazugehörige Infrastruktur. Anders ist das beim Güterverkehr. Hier stehen wir noch ganz am Anfang. In Deutschland, aber auch in Frankreich und in der EU insgesamt.

Und wie wird es mit den erneuerbaren Energien vorangehen?

Seit der Umstellung auf das Ausschreibungsmodell fallen die Preise für erneuerbare Energien beträchtlich. Das ist gut und es gibt noch eine Menge Potenzial. Das Problem liegt viel mehr bei der Integration der erneuerbaren Energien in die Stromnetze und in das Energiesystem mit all seinen Sektoren insgesamt. Dafür ist es vor allem erforderlich, die Netze stark und schnell auszubauen.

Außerdem: Es kommt nicht allein auf die erneuerbaren Energien an. Es geht vor allem auch um Energieeffizienz und um das Zusammenspiel der verschiedenen Infrastrukturen: Stromnetze, Gasnetze, Verkehr und auch die digitale Infrastruktur sind für den Erfolg der Energiewende von großer Bedeutung. Ein faszinierendes Innovationsthema. Viele Start-ups aber auch etablierte Unternehmen arbeiten in Deutschland daran. Mit seinem breiten Energiewende-Ecosystem ist Deutschland nach wie vor der perfekte Standort für diese Unternehmen.

Die Bepreisung von CO2 wird im Sondierungspapier nicht erwähnt. Wird das noch kommen?

Das muss noch kommen, keine Frage. Denn der Rahmen aus Regulierungen und Instrumenten ist mittlerweile viel zu komplex geworden. Und er führt auch nicht zu den erwünschten CO2-Einsparungen. Es besteht ein ziemlich breiter Konsens unter Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und auch der Zivilgesellschaft (NGOs), dass eine stärkere Bepreisung von CO2 erforderlich ist, nicht nur in Deutschland, nicht nur in Frankreich, sondern in Europa. Aber für Politik ist das ein schwieriges Thema. Es geht um komplizierte Verteilungsfragen, wenn Mobilität und Wärme dadurch teurer werden und die Kosten für die Industrie möglicherweise auch. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass diese Frage in den kommenden Monaten in Deutschland angegangen wird. Hier sollten wir auch den engen Austausch mit Frankreich und anderen Nachbarländern suchen.

Was halten Sie von der Rede, die Emmanuel Macron in Davos gehalten hat?

Es ist gut, dass Emmanuel Macron den Klimaschutz und dem Umbau der Energieversorgung erneut auf die Agenda gesetzt hat. Davos ist der richtige Ort dafür. Der angekündigte Ausstieg aus der Kohleverstromung in Frankreich erscheint mir aber als Thema ein bisschen übertrieben. Frankreich hat ja fast gar keine Kohlekraftwerke. Mich würde der Zeitplan für den angekündigten Rückbau der Kernenergie in Frankreich interessieren. Das ist vielleicht vergleichbar mit dem, was Deutschland nach dem Ausstieg aus der Kernenergie nun mit der Kohle noch vor sich hat.

In Deutschland will die neue Koalition – wenn sie denn zustande kommt – nun rasch eine Kommission einberufen, die schon ganz bald ein Enddatum für die Kohleverstromung und den dafür erforderlich Pfad festlegen wird. Dabei geht es auch um Strukturpolitik insgesamt und um Arbeitsplätze. Eine Energiewende, bei der die Menschen Angst um ihre Arbeitsplätze haben, kann ich mir nicht vorstellen. Energiewende muss auch sozialverträglich gestaltet werden. Wie das geht, könnte ebenfalls ein gutes Thema für die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland sein.

Wie schätzen Sie die gemeinsame Resolution ein, die die Parlamente Frankreichs und Deutschlands zum 55. Jahrestag des Elysée-Vertrags verabschiedet haben?

Ich spüre eine Aufbruchstimmung zwischen Frankreich und Deutschland und sie wird noch mal verstärkt, wenn die Regierung in Berlin bald stehen wird. Wir begrüßen es sehr, dass der erneuerte Elysée-Vertrag die Zusammenarbeit beider Länder in der Energie- und Klimapolitik stärken wird. Die Energiewende ist ein europäisches Fortschrittsprojekt, das im Zentrum der deutsch-französischen Zusammenarbeit stehen sollte.

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) und die französische Ademe arbeiten schon seit einiger Zeit bei diesen Themen eng zusammen. Zum Beispiel mit der Deutsch-Französischen Energieplattform, die Kooperationsprojekte für eine nachhaltige Energieversorgung entwickelt. Dabei geht es um Themen wie Energieeffizienz, Netze, erneuerbare Energien, Mobilität oder auch Digitalisierung und Innovationen. Im Schaufensterprojekt „Smart Border Initiative“ werden die Nachbarregionen Lorraine und Saarland dazu befähigt, ihre Energiesysteme zu verbinden und sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Viele Unternehmen aus beiden Ländern wirken bei dem Projekt mit. Das alles zeigt: Der Wille zur Zusammenarbeit ist da – und die notwendige politische Unterstützung auch.

Mit freundlicher Genehmigung der Presse-Agentur AEF. Dort zuerst erschienen am 26. Januar 2018.