Stadtwerke als zentrale Player für die Transformation?
Was bedeutet der rasante Wandel der Energiebranche für die künftige Rolle der Stadtwerke in Kommunen? Welche Geschäftsmodelle rücken in den Fokus? Diese Fragen hat das Kompetenzzentrum Contracting der Deutschen Energie-Agentur (dena) zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im digitalen Workshop "Stadtwerke als Energiedienstleister" beleuchtet. Rund 100 Teilnehmende von Stadtwerken, kommunalen Verwaltungen, Energieagenturen und Verbänden schalteten sich dazu.
Corinna Enders, Vorsitzende der Geschäftsführung der dena, eröffnete die Veranstaltung und sprach über die drängenden Herausforderungen und Chancen, mit denen sich Stadtwerke in der Energiewende auseinandersetzen müssen. Es brauche neue Wege und Kooperationen, Synergien müssten geschaffen werden. Die Stadtwerke sehe sie mit deren Expertise und Vernetzung in den Kommunen als Katalysatoren bei der Umsetzung der Wärmewende. Contracting-Modelle wie das Energiespar-Contracting (ESC) können dabei eine gute Ergänzung zu bisherigen Geschäftsmodellen bieten.
Dr. Kai Lobo, Geschäftsführer der Abteilung Energiewirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen (VKU), lenkte in seinem Impuls den Fokus auf die Finanzierung der Energiewende, die kommunale Unternehmen vor gigantische Herausforderungen stelle. Der Verband beobachte zudem einen drastischen Anstieg von Beratungsbedarf. Neue Finanzierungswege seien unabdinglich, Investitionen der Stadtwerke in Geschäftsmodelle und Anlagen müssten sich jedoch stets rentieren, betonte er. Energiedienstleistungen wie zum Beispiel das Energieliefer-Contracting (ELC) in Form von Vermietung einer Wärmepumpe oder Leasing habe großes Potenzial in Kommunen.
One-Stop-Shops als neues Geschäftsmodell?
Katja Neumann, Unterabteilungsleiterin „Wärme und Effizienz in Gebäuden“ im BMWK, schlug vor, dass die Stadtwerke ihre Vorteile im Energiedienstleistungsgeschäft für sich nutzen sollten. Die Kundennähe, Vor-Ort-Präsenz, regionale Bekanntheit und das bestehende Vertrauen machten die Unternehmen zum passenden Ansprechpartner rund um die Energiewende: „Mit Rundum-Sorglos-Lösungen könnten Stadtwerke ihre Kundenbindung weiter stärken und sich über die Energielieferung hinaus als Servicepartner aufstellen.“ Die novellierte EU-Energieeffizienzrichtline (EED) sowie die neugefasste EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) sähen vor, flächenübergreifend zentrale Anlaufstellen (One-Stop-Shops) für Bürgerinnen und Bürger, Verwaltungen und Anbieter zu installieren: „Die Stadtwerke könnten hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Sie sind in ihren Regionen gut vernetzt und könnten damit entsprechende Plattformen schaffen.“ Details für One-Stop-Shops werden noch ausformuliert, die Komponenten sollen von Beratungen zu Maßnahmen und Fördermitteln über die Vermittlung von Energieberatenden und Handwerk bis hin zu Contracting-Lösungen reichen, so Neumann. Contracting könne den Umstieg auf erneuerbare Wärme erleichtern. Das ESC sei zum Beispiel eine gute Alternative für die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen in Gebäuden und ein attraktives Finanzierungsmodell.
Auch Joshua Meinke, Projektleiter im Fachrat Energieunabhängigkeit am Institut für zukunftsfähige Ökonomien (ZOE), hob die geplanten One-Stop-Shops sowie mögliche Full-Service-Pakete als neue Geschäftsfelder für Stadtwerke hervor. Eine Möglichkeit sehe Meinke zudem in der Gründung von Zweckgesellschaften auf Länderebene, um den Einkauf beispielsweise von Wärmepumpen zu bündeln, so Synergieeffekte bei der Finanzierung zu heben und die Finanzierungskosten für Eigentümer deutlich zu senken.
Erfahrungen sammeln und Partnerschaften bilden
In welchem Umfeld sich Stadtwerke bewegen und welche Rolle das Contracting spielt, berichteten Matthias Funk, Vorstand der Stadtwerke Gießen, und Dr. Manfred Schüle, Vorsitzender der Geschäftsführung des Energiedienstleisters Enercity Contracting Hannover. Sie unterstrichen die Komplexität der Aufgaben, den hohen Bedarf an Ressourcen und Know-how und appellierten an alle Akteure, Erfahrungen zu sammeln und Kooperationen zu bilden.
Über aktuelle ESC-Projekte berichteten aus Krefeld Rachid Jaghou, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements, und aus Konstanz Energiemanager Raphael Reichle. Beide Städte planen, öffentliche Liegenschaften mit ESC energetisch zu sanieren und nehmen am dena-Modellvorhaben Co2ntracting: build the future! teil. Krefeld bringt derzeit mittels einer ersten gebündelten Ausschreibung 42 Liegenschaften mit 130 Gebäude als ESC-Pool in die Umsetzung eines Energiespar-Contractings. Mit einem weiteren Gebäudepool will Krefeld beispielsweise mit den Stadtwerken eine Quartierslösung erreichen. Ein mögliches Szenario: Nahwärme von einer öffentlichen Liegenschaft ins Wohnquartier bringen. Manfred Schüle bestätigte aus eigener Erfahrung die möglichen Synergieeffekte bei quartiersbezogenen Lösungen.
Steffen Haller von ENGIE hob hervor, dass sich die Branche der ESC-Anbieter sehr interessiert zeige, die Umsetzung von ESC in Kommunen beispielsweise über Joint-Ventures mit Stadtwerken anzugehen. Matthias Wohlfahrt von ProKlima Hannover betonte, wie wichtig die Gebäudeeffizienz, auch der Gebäudehüllen, für das Gelingen der Wärmewende im urbanen Raum ist. Dies zeige sich auch an den Förderbedingungen, zu denen die Agentur in Hannover und Umgebung Mittel zuweisen kann.
Der Workshop fand digital am 30. April 2024 statt. Das Programm und ausgewählte Präsentationen finden Sie auf dieser Seite als Download.
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Ulrike Worlitz
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